Zeitarbeit und Leiharbeit: Armut trotz Arbeit ist hier an der Tagesordnung

DGB-Studie: LeiharbeiterInnen bekommen nur 50% vom Lohn.

Ein unvollständiger Auszug: LeiharbeiterInnen mit einer Vollzeitstelle verdienen nur die Hälfte von Vollzeit- und Stammbeschäftigten der deutschen Wirtschaft insgesamt. Gleichzeitig werden die Einkommensabstände zwischen LeiharbeiterInnen und Beschäftigten in so genannter Normalarbeit immer größer.

Im Jahr 2009 lag das “mittlere” Bruttomonatsentgelt von Leiharbeitskräften in Westdeutschland lediglich bei 1.456 Euro brutto im Monat und in Ostdeutschland (einschließlich Berlin) sogar nur bei 1.224 Euro brutto. Dabei hatten die Leiharbeitskräfte eine sozialversicherungspflichtige Vollzeitarbeit. Sie verdienen nicht nur viel weniger als sogenannte Normalarbeitskräfte, sondern können von dieser Vollzeitarbeit allein oftmals nicht leben. Das Lohn- und Verarmungsrisiko in Zeit- und Leiharbeit ist außergewöhnlich hoch.

Bundesweit verdienen 10,5 Prozent aller vollzeitbeschäftigten Leiharbeitskräfte – für die Lohnangaben vorliegen (500.000) – weniger als 1.000 Euro brutto im Monat; in Ostdeutschland sogar ein doppelt so hoher Anteil. Armut trotz Arbeit ist hier an der Tagesordnung, selbst wenn Hartz-IV evtl. durch eine Zweitarbeit verhindert werden kann. Ein weiteres Fünftel der Leiharbeitskräfte verdient nur zwischen 1.001 bis 1.200 Euro; in Ostdeutschland sind es auch hier mehr als ein Viertel aller Leiharbeitskräfte.

In der Einkommensklasse von 1.201 bis 1.400 Euro brutto befinden sich fast ein Fünftel der Leiharbeitskräfte im “Bundesschnitt”. Lediglich eine kleine Minderheit der Leiharbeitskräfte kommt auch bei Vollzeitarbeit auf monatlich mehr als 2.000 Euro brutto, während dies in der Wirtschaft insgesamt für 70% der Vollzeitbeschäftigten gilt.

Bundesweit lag das “mittlere” Bruttoeinkommen aller Vollzeitbeschäftigten im Jahr 2009 bei 2.805 Euro im Monat – gegenüber nur 1.456 Euro brutto für Leiharbeitskräfte. Bei vergleichbarer Arbeitszeit ergibt sich ein Einkommensgefälle von 48,1 Prozent; damit verdienen Leiharbeitskräfte nur gut halb so viel wie Vollzeitbeschäftigte im “Schnitt” insgesamt. (Entsprechend sind auch die reduzierten sozialen Leistungen und Auswirkungen: Mutterschaft, Arbeitsunfall, Krankheit – Lohnfortzahlung, Arbeitslosigkeit – Hartz-IV – und Armutsrente.)    

In Ostdeutschland sind insgesamt die Arbeitslöhne deutlich niedriger als in Westdeutschland. Hier verdienen alle Vollzeitbeschäftigten im “Durchschnitt” 750 Euro brutto im Monat weniger als im Westen und die Leiharbeitskräfte 230 Euro monatlich weniger als die Beschäftigten im westdeutschen Verleihgewerbe. Auch im Vergleich zu den Vollzeitbeschäftigten in Ostdeutschland verdienen Leiharbeitskräfte hier im “Schnitt” rund 40% weniger.

Bemerkenswert ist zugleich, dass das mittlere Arbeitsentgelt für alle Vollzeitbeschäftigten in Deutschland nominal von 2008 auf 2009 gestiegen ist, während der Lohn für Leiharbeit zugleich in Ost und West gesunken ist. Die Einkommensabstände haben sich zum weiteren Nachteil der Leiharbeitskräfte vergrößert. (Anm.: Zeitarbeiter und Leiharbeiter sind Deutschlands Wanderarbeiter!)

In produzierenden Unternehmen werden häufig überdurchschnittliche Löhne und Gehälter an Stammbelegschaften gezahlt; hier ergeben sich noch größere Einkommensabstände. Das mittlere Bruttoarbeitsentgelt im verarbeitenden Gewerbe lag 2009 in Deutschland bei 3.046 Euro. Leiharbeitskräfte verdienten hier im Schnitt nur 45,7 Prozent. Gleichzeitig wird hier die Zeitarbeit und Leiharbeit zur Unterlaufung der tariflichen Entlohnung der Stammarbeitskräfte missbraucht. Gut 60% der Verleiharbeitskräfte haben einen Berufsabschluss – und werden zudem auch häufig nicht ‘qualifikationsgerecht’ eingesetzt.

Eine NRW Untersuchung stellte fest: Das durchschnittliche sozialversicherungspflichtige Monatsentgelt von Helfern in der Zeitarbeit liegt rund 45% unter dem von anderen Helfern (? = siehe im Originaltext). Auch bei (vergleichbarer) qualifizierter Tätigkeit liegt die monatliche Entgeltlücke bzw. der Lohnabstand bei rund 35%.    

Das Verarmungsrisiko der erwerbstätigen Leiharbeitskräfte ist vier bis fünf Mal größer als in der Gesamtwirtschaft. In keiner anderen Arbeitsbranche ist das Risiko der Hartz-IV-Bedürftigkeit so groß wie im Verleihgewerbe. In Ostdeutschland musste bereits für 15,5% der sozialversicherten Leiharbeitskräfte das Lohneinkommen durch Hartz-IV aufgestockt werden.

Insgesamt hat sich das Verarmungsrisiko – trotz Wirtschaftswachstum – für die Leiharbeitskräfte erhöht und nicht verringert. Sichere und auskömmlich bezahlte Arbeit hat der sogenannte wirtschaftliche Aufschwung (für Produktion, Absatz, Umsatz, Gewinn und Profit) für die Leiharbeitskräfte nicht gebracht.  

Das Fazit aus der DGB-Studie: In der Zeitarbeit und Verleihbranche wird sehr schlecht bezahlt. Armut trotz Arbeit breitet sich weiter aus. Das hohe Verarmungsrisiko steigt weiter an. Die Lohnkostenunterschiede zwischen Arbeitskräften in der Leiharbeit und den Einsatzbetrieben sind enorm. Dumpinglöhne sind weit verbreitet. Leiharbeitskräfte verdienen 40 bis 50 Prozent weniger. In der Industrie ist die Lohndifferenz sogar noch größer. Die Zeitarbeit und Leiharbeit wird mehr und mehr von den Unternehmen dazu eingesetzt, um die Lohnkosten massiv zu drücken und tarifliche Regelungen in den Einsatzbetrieben zu unterhöhlen.

Anmerkung: Bitte den gesamten Text der DGB-Studie lesen.

Quelle vgl.: DGB-Bundesvorstand, Berlin, 04.02.2011, Abteilung Arbeitsmarktpolitik, Wilhelm Adamy: Niedriglohn und Lohndumping im Verleihgewerbe.    
http://www.dgb.de/

07.02.2011, Reinhold Schramm

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