M.I. Kalinin – Über kommunistische Erziehung: Rede in einer von der Redaktion der “Lehrerzeitung” einberufenen Beratung der besten Stadt- und Landschullehrer (Auszug)

am 28. Dezember 1918

1. ÜBER DIE MEISTERUNG DER MARXISTISCH-LENINISTISCHEN THEORIE
Genossen! Bei uns spricht man jetzt viel vom Studium der revolutionären Theorie des Marxismus-Leninismus, vom Studium der Geschichte der bolschewistischen Partei. Die Hauptsache ist hier, dass man das Wesen dieser Theorie erfasst, dass man lernt, sie in der Praxis anzuwenden, und dass man die Erfahrung des revolutionären Kampfes unserer Partei beherzigt.
Beim Lesen des “Kurzen Lehrgangs der Geschichte der Kommunistischen Partei der Sowjetunion (Bolschewiki)” war ich begeistert von dem tiefen Gehalt, den präzisen Gedanken und der einfachen Darlegung, doch an den genauen Wortlaut kann ich mich heute nicht mehr erinnern. Aber es kommt gar nicht so sehr darauf an, dass man sich daran erinnert, die Hauptsache ist das Verständnis.
Die marxistisch-leninistische Theorie ist kein Glaubenssymbol, keine Dogmensammlung, sondern eine Anleitung zum Handeln. Manche Leute sagen, wenn sie über die Meisterung des Marxismus-Leninismus sprechen: “eine intensive Arbeit”, “eine besonders intensive Arbeit” usw. Man muss jedoch verstehen, dass die Hauptsache am Marxismus-Leninismus nicht der Buchstabe ist, sondern sein Wesen, der revolutionäre Geist.

Was bedeutet die Redensart: “den Marxismus-Leninismus restlos erfassen”? Wie soll man das verstehen? Ist das so zu verstehen, dass man die ganze Weisheit des Marxismus-Leninismus durch wortwörtliches Auswendiglernen bereits fertiger Schlussfolgerungen und Formulierungen bewältigt? Oder ist das so zu verstehen, dass man in das Wesen des Marxismus-Leninismus eindringt und die Fähigkeit erwirbt, sich dieser Theorie als einer Anleitung zum Handeln im Leben, im gesellschaftlich-politischen sowie im persönlichen Leben zu bedienen? Letzteres dürfte zutreffender, richtiger, wichtiger sein, denn es trifft den Kern des Marxismus-Leninismus. Und wenn man von der “Meisterung des Marxismus-Leninismus“ spricht, so bedeutet das, dass man lernen soll, seine Dynamik zu sehen.
Den Marxismus-Leninismus auswendig lernen kann mehr oder weniger jeder, aber in sein Wesen einzudringen und seine Anwendung zu lernen, das ist weit schwieriger. Wir kennen viele alte Arbeiter, die am politischen Kampf teilgenommen haben. Haben sie etwa den Marxismus-Leninismus so eingehend studiert, wie ihr es tut? Der “Kurze Lehrgang der Geschichte der Kommunistischen Partei der Sowjetunion (Bolschewiki)” stand ihnen jedenfalls nicht zur Verfügung. Sie hatten nur wenig Gelegenheit, diese Theorie systematisch zu studieren. Sie lasen vielleicht ein Dutzend revolutionärer Bücher – und das war alles. Aber in ihrer Praxis haben sie den Marxismus-Leninismus ziemlich richtig angewandt. Unter dem Banner dieser Theorie marschierten und marschieren heute Millionen von Menschen. Und viele Arbeiter sind an die gesellschaftlichen Erscheinungen, an das politische Leben richtig herangegangen, sie haben die marxistisch-leninistische Linie richtig erfasst, wenn es sich um die Lösung dieser oder jener Frage handelte. Und zwar deshalb, weil sie das revolutionäre Wesen der marxistisch-leninistischen Theorie richtig verstanden und erfasst haben.
Das Studium des Marxismus-Leninismus soll man nicht studienhalber, nicht pro forma betreiben. Wir studieren den Marxismus-Leninismus nicht, damit wir ihn formal kennen, wie früher der Katechismus auswendig gelernt wurde. Wir studieren den Marxismus-Leninismus als eine Methode, als ein Mittel, das uns befähigt, unser politisches, gesellschaftliches und persönliches Verhalten richtig zu bestimmen. Wir sind der Meinung, dass das die mächtigste Waffe des Menschen im praktischen Leben ist.
Jetzt erhebt sich die Frage, wie die richtige Anwendung des Marxismus-Leninismus in der Praxis am besten zu erlernen ist. Vor allem muss man, wenn auch nur in allgemeinen Zügen, die theoretischen Grundlagen des Marxismus-Leninismus kennen, muss man, wenn auch nur in allgemeinen Zügen, die Geschichte der Kommunistischen Partei kennen. Studiert man die Parteigeschichte, so muss man sich überlegen: Wie haben die Bolschewiki unter diesen oder jenen Umständen diese oder jene praktische Frage gelöst? Warum haben sie diese Frage so und nicht anders gelöst, wovon sind sie ausgegangen? Warum haben wir beispielsweise die Bulyginsehe Duma(1) boykottiert, wovon sind wir ausgegangen? Warum haben wir später, als die politischen Verhältnisse sich ungünstiger gestalteten, an den Wahlen zur lI., IlI. und IV. Reichsduma teilgenommen? Warum? Eine Analyse aller dieser Fragen (und solcher Fragen gab es in der Geschichte viele, denn auch Kämpfe gab es viele) liefert geradezu Musterbeispiele für die Anwendung der marxistisch-leninistischen Methode und Fingerzeige für die Lösung anderer Fragen in einer anderen, neuen politischen Situation, für die Lösung der Fragen, die sich aus den heutigen Verhältnissen ergeben.
Selbstverständlich muss man dabei alle Veränderungen, die vor sich gegangen sind, alle neuen Bedingungen in Betracht ziehen. Die Hauptsache beim Studium des Marxismus-Leninismus ist daher, dass man sich selber prüft, wie man an die Lösung der Fragen herangeht, die heute unmittelbar auf den verschiedenen Gebieten des Lebens auf der Tagesordnung stehen. Nehmen wir irgendein Beispiel aus dem persönlichen Leben. Eine Lehrerin hat sich von ihrem Manne getrennt. Wie sollen sich die Leute in diesem Falle vom marxistischen Standpunkt aus verhalten? Welche Stellung sollen sie einnehmen? Denn auch an eine solche Frage muss man richtig herangehen, muss sie im marxistischen Geist beurteilen und entscheiden. Das einfachste (und – wenigstens formal gesehen – mehr oder weniger richtige) wäre es, zu sagen: Das ist eine Privatsache, die mit der Politik nichts zu tun hat. Insofern jedoch der Fall bekannt ist, da die Schüler darüber sprechen, im Dorf geklatscht wird, die Autorität der Lehrerin gelitten hat, muss man eine vernünftige Erklärung dafür finden. Wie ihr seht, kann manchmal sogar eine rein persönliche Frage zu einer gesellschaftlich-politischen Frage werden. Im Leben kommen tagtäglich zahllose derartige Fälle vor. Dass man auch in diesen Fällen eine richtige Lösung findet und weiß, wie man sich vom. Standpunkt des Marxismus richtig dazu verhält – gerade darin erweist sich der Marxist.
Der Marxismus-Leninismus, das ist ja der Schlüssel, der die Möglichkeit schafft, diese oder jene Frage zu lösen. Er gibt nur die Möglichkeit, nicht aber die Lösung selbst, und zwar die Möglichkeit, an die Lösung der Fragen richtiger heranzugehen. Damit hat man jedoch kein fertiges Rezept für alle Fälle des Lebens. Aus der Art und Weise, wie jemand die brennenden Fragen löst, wie er an die Lösung herangeht, ist zu ersehen, ob er ein wirklicher bolschewistischer Marxist oder ob er ein Stubengelehrter und Silbenstecher ist.
Es gibt Leute, die den Marxismus-Leninismus wirklich beherrschen und fähig sind, diese Theorie auf die Lösung praktischer Fragen anzuwenden. Es gibt aber auch Leute, deren Kopf mit gelehrten Zitaten vollgestopft ist wie ein Sack mit Kartoffeln, die jedoch diese Kenntnisse praktisch nicht anzuwenden vermögen. Solche Leute können alles wie am Schnürchen hersagen und lesen Lektionen. Aber erzählt ihr ihnen, dass in eurer Schule ein bestimmter Fall vorgekommen ist – nun, sagen wir zum Beispiel, ein Vater hat seinen Sohn, der diese Schule besucht, durchgeprügelt – und fragt ihr, wie man sich zu diesem konkreten Vorfall stellen soll, damit der gesellschaftliche Standpunkt richtig zur Geltung kommt, so sehen sie den Wald vor laute~ Bäumen nicht. Sollten sie sogar einen bestimmten Vorschlag machen, so wird sich herausstellen, dass er opportunistisch ist, dass er in keiner Weise dem Geist des Marxismus-Leninismus entspricht, auch wenn sie dabei einen Wust von Zitaten anführen. Der Opportunismus äußert sich nicht immer nur in der direkten Verneinung des Marxismus-Leninismus. Manchmal äußert er sich auch in Silbenstecherei, in der dogmatischen Auslegung dieser Theorie.
Das Wesentliche des Marxismus-Leninismus wirklich erfassen und auf dieser Grundlage die praktischen Fragen lösen – das ist die Schule des Bolschewismus.
Bücherstudium ist und bleibt Bücherstudium. Und ebenso wie die Schule für die Kinder noch nicht das ganze Leben selbst ist, sondern eben nur eine Schule, so ist auch das Studium des Marxismus-Leninismus in den Lehranstalten, den verschiedenen Zirkeln und Seminaren, das selbstständige Studium usw. nicht mehr als ein Studium. Bei diesem Studium eignet sich der Mensch nur das Bücherwissen vom Marxismus-Leninismus an. Erst wenn er in das politische Leben, in die gesellschaftliche Tätigkeit hineinspringt, erst wenn er ‘diese Methode anwendet, und zwar bewusst anwendet, dann ändert sich die Sachlage. Gerade bei der praktischen Lösung von Fragen des täglichen Lebens, auf die man dauernd stößt, kommt der Marxismus-Leninismus zur Geltung, hier macht man die eigentliche Schule des Marxismus-Leninismus durch, hier zeigt sich der wahre Marxist-Leninist.
Die eigentliche Schule besteht nicht darin, dass man an Seminaren teilnimmt oder Lektionen anhört. Das sind nur Hilfsmittel. Die eigentliche Schule macht ihr erst dann durch, wenn ihr mit den Leuten streitet, wenn ihr mit dem Volke sprecht, wenn ihr eine Entscheidung trefft über einen nachlässigen Schüler. Und wie soll die Entscheidung ausfallen: eine schlechte Note geben, aus der Schule ausschließen oder – umgekehrt – Nachsicht üben?
Die Entscheidung solcher Fragen wird die eigentliche und hauptsächliche Schule des Marxismus-Leninismus sein.
Wie der Ingenieur in der Betriebsarbeit seine technologischen Kenntnisse praktisch anwendet und Erfahrungen sammelt, wie der Lehrer in der unmittelbaren Schularbeit seine pädagogischen Kenntnisse praktisch anwendet, so stellt auch der Marxismus- Leninismus die lebendige, organische Einheit von Theorie und Praxis dar.
Ihr werdet jetzt wohl verstanden haben, wovon ich die ganze Zeit spreche. Ich möchte den Gedanken klar herausbringen, dass es für die Meisterung des Marxismus-Leninismus keineswegs genügt, die Formulierungen und Schlussfolgerungen dieser Theorie auswendig zu lernen, dass es auch nicht genügt, in ihr Wesen einzudringen. Damit man den Marxismus-Leninismus wirklich beherrscht, muss man auch lernen, sich dieser Theorie bei der Lösung praktischer Fragen zu bedienen, ja, darüber hinaus muss man auch verstehen, diese Theorie durch die angehäufte Erfahrung zu bereichern, die Erfahrung zu verallgemeinern, das heißt, man muss verstehen, die Theorie weiterzuentwickeln. Das ist natürlich das schwierigste.
Äußerlich gesehen ist der “Kurze Lehrgang der Geschichte der Kommunistischen Partei der Sowjetunion (Bolschewiki)” sehr populär geschrieben, aber er verlangt vom Leser angestrengte Arbeit. Alle Grundlagen des Marxismus-Leninismus sind dort in knappster Form dargelegt. Beim Lesen muss man über jede Zeile nachdenken. Nicht auswendig lernen, sondern nachdenken. Es handelt sich darum, dass man lernt, den Marxismus in der Praxis anzuwenden – und das will gelernt sein. Aber wie soll man lernen? Man soll an den geschichtlichen Beispielen lernen, und zwar im gegenseitigen Gedanken- und Meinungsaustausch.
Es war hier davon die Rede, dass es gut wäre, wenn man Zirkel hätte. Ich verstehe dieses Bestreben durchaus. Bis zu einem gewissen Grade ist es richtig, dass ein Zirkel immerhin die Möglichkeit eines Meinungsaustausches schafft. Aber wer hat euch gesagt, dass ihr jetzt keine Zirkel bilden dürft? Woher habt ihr das? Lest aufmerksam den Beschluss des Zentralkomitees der Partei vom 14. November 1938. Dieser Beschluss verurteilt das Zirkelwesen als ein Zwangssystem zum Studium des Marxismus-Leninismus, das man früher zur Grundlage der Unterweisung unserer Kader im Bolschewismus machte, und als einen praktischen Ausdruck der Jagd nach Quantität zum Schaden der Qualität unserer Propaganda.
Eine Genossin hat hier gesagt, in ihrem Ort seien sieben Lehrer, von denen jeder selbstständig lerne. Wer hindert euch daran, zu sagen; “In einer Woche halte ich einen Vortrag über eine bestimmte Frage, wer hinkommen und diskutieren will, soll sich einfinden.” Hindert euch etwa jemand daran?
Bist du ein Marxist, so musst du an jede Erscheinung des Lebens konkret herangehen. Und selbstverständlich kann man sich mit Hilfe einer solchen Diskussion besser in einer Frage zurechtfinden. Beim Lesen habt ihr nur eine Seite der Sache erfasst, oder drei Seiten, aber die vierte ist ausgefallen. Schließlich habt ihr alle vier Seiten erfasst. Indes hat sich herausgestellt, dass es sich nicht um ein Quadrat, sondern um einen Kubus handelt, der sechs Seiten hat. So werden also durch eine gemeinsame Aussprache die Gedanken abgeschliffen und bereichert.
Ihr sagt, man brauche Diskussionen? Wer hindert euch daran?
Sollen sich fünf oder zehn Menschen versammeln. Fünf Menschen können schon nach Herzenslust miteinander streiten. Wer hindert euch? Und wenn ihr zudem noch Vorträge ausarbeiten werdet, dann sage ich euch unumwunden, dass ihr fünfmal mehr verstanden haben werdet als nach dem Anhören einer Lektion. Wenn man einen Vortrag ausarbeitet, muss man jedes Wort, jeden Gedanken überlegen. Wenn man einen Vortrag ausarbeitet, muss man auch alle möglichen Quellenwerke nachschlagen. Bei der Abfassung eines Vortrags kniet ihr euch viel tiefer in die Fragen hinein, als wenn ihr nur eine Lektion anhört. Die Aufnahmefähigkeit bei einer Lektion hängt von vielem ab, sowohl vom Lektor als auch von eurer eigenen Stimmung. Vielleicht habt ihr während der Lektion mit dem Nebenmann geplaudert. Ihr wisst selber, dass in den Lektionen nicht selten zu drei Vierteln leeres Stroh gedroschen wird und nur ein Viertel brauchbar ist. (Heiterkeit.) Leider verstehen wir es nicht so recht, das Stroh beiseite zu lassen. Man müsste es zwar beiseite lassen. Aber ganz ohne leeres Stroh wird es wohl nicht gehen. Glaubt nicht, dass ich gegen die Lektionen bin. Selbstverständlich sind Lektionen eine sehr wichtige Form des Unterrichts. Ich möchte euch nur zur selbstständigen Arbeit anregen, diese Arbeit aber wird euch zwingen, Lektionen zu besuchen und sie aufmerksam anzuhören.
“Wie soll man sich zur Zirkelarbeit verhalten? Seht, ein Zirkel hat einen gewissen Beigeschmack von Beschränktheit. Schon der Name “Zirkel” deutet auf Beschränktheit hin. Wird dadurch die kollektive Aussprache abgeschafft? Nein, sie wird weder abgeschafft noch in Verruf gebracht. Die kollektive Aussprache muss man mit dem selbstständigen Studium verbinden, das die hauptsächlichste Lernmethode darstellt. Bereite dich zu Hause vor, halte im Zirkel oder auf der Versammlung einen Vortrag und lass über den Vortrag diskutieren. Bloß darf die Diskussion nicht erkünstelt sein, sondern jeder soll seine wahre Meinung zu der aufgeworfenen Frage sagen, keiner soll sich fürchten, seine Gedanken auszusprechen. Enthält dieser Vortrag auch nur einen Funken eigener Meinung, so zweifle ich nicht, dass eure Diskussionen sehr lebhaft sein werden. Solche Aussprachen, sei es auch über Puschkin, wären ein unübertrefflicher Unterricht in Marxismus-Leninismus.
Ist die Rede vom Studium des Marxismus-Leninismus, so glaubt man bisweilen, man dürfe einzig und allein nur marxistische Bücher lesen: Marx, Engels, Lenin und Stalin. Das stimmt nicht ganz. Die Aufgabe besteht darin, jedes Buch im Geiste von Marx und Lenin zu lesen. Tschernyschewski beispielsweise kann man auf verschiedene Weise lesen. Der fortschrittliche Leser der sechziger und siebziger Jahre las ihn auf seine Art, der liberale Leser jener Zeit las ihn auf seine Art, und wir Marxisten-Leninisten lesen ihn auf unsere Art. Wir fassen ihn anders auf. Hältst du einen Vortrag über das Wirken Tschernyschewskis, dringst du in Tschernyschewskis Wesen ein, erfolgt eine Diskussion und ein gegenseitiges Abschleifen der Gedanken, so wirst du den Marxismus-Leninismus besser beherrschen. In Diskussionen muss man seine eigenen Worte gebrauchen, seine eigene Sprache sprechen. Ich weiß, dass ihr eure eigene Sprache habt. Die Leute sollen streiten, und zwar nicht künstlich, sondern wirklich, das heißt so, dass es dabei, wenn auch nicht gerade zu einer “Rauferei”, so doch zu einer ernsthaften, lebhaften Auseinandersetzung kommt .. So muss man es anpacken. Dann werden die Leute sowohl Zirkel besuchen als auch selbstständig arbeiten. Bei einer solchen Lernmethode dringt man am tiefsten in den Geist des Marxismus-Leninismus ein.
Ich glaube, ja, ich bin überzeugt, dass ihr den Wortlaut der Bücher besser kennt als ich. Hätte ich zusammen mit euch eine Prüfung abzulegen, so würde ich, was das Bücherwissen anbelangt, sicherlich durchfallen. Aber ich denke, dass ich bestimmt einen richtigeren Weg zur marxistischen Lösung einer Frage einschlage als ihr, dass ich mich rascher zurechtfinde, weil die lange Erfahrung, die durch theoretische Auseinandersetzungen bereicherte Praxis, weil dies alles meinen Instinkt geschärft hat. Ich spüre den Fehler, wenn eine falsche Formulierung gebraucht wird. Ich habe gewissermaßen einen sechsten Sinn erworben, der sich in den theoretischen Auseinandersetzungen und Streitigkeiten entwickelt und mich hellhörig gemacht hat. Daher soll man vor Diskussionen keine Angst haben, sondern die Leute daran gewöhnen. Nur auf diese Weise werden sich euer Geist und eure Zunge schulen. ‘wisst ihr erst, dass es um jede falsche Schlussfolgerung und um jede falsche Formulierung einen Streit gibt, dann werdet ihr aufmerksamer nach den richtigen Lösungen suchen.
Wollt ihr also den Marxismus-Leninismus verstehen und diese Theorie meistern, so bringen euch dabei auf der Grundlage des selbstständigen Studiums Vorträge, Referate und Aussprachen ungeheuren Nutzen. Aber das selbstständige Studium ist und bleibt die Hauptmethode zur Meisterung des Marxismus-Leninismus.
Anmerkung:
1) Bulyginsche Duma – so genannt nach dem zaristischen Innenminister Bulygin, der im August 1905 einen Gesetzentwurf über die Einberufung einer gesetzberatenden Vertretungskörperschaft ausarbeitete. Die Bulyginsche Duma trat indes nie zusammen. Die Red.

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