Linkes Versagen

EU ohne demokratische Legitimation

Von Werner Pirker, Junge Welt, 9.06.2009

Die etablierte Rechte hat bei den Europawahlen ihre führende Stellung behauptet. Die Opposition simulierende populistische Rechte ist auf dem Vormarsch. Die Sozialdemokraten erlebten einen Absturz wie noch nie. Die linke Opposition konnte oder wollte die Anti-EU-Stimmung in breiten Kreisen der europäischen Öffentlichkeiten nicht für sich nutzen. Bleibt als das einzig Erfreuliche an dieser Wahl zum Europaparlament die extrem niedrige Wahlbeteiligung. Denn so sehr die europäischen Eliten versuchen, ihr imperialistisches Projekt als demokratisch legitimiert erscheinen zu lassen, so sehr ist das Gegenteil anzustreben.

Die der Fraktion der Vereinigten Europäischen Linken angehörenden Parteien haben in der Summe herbe Verluste einstecken müssen. Lothar Bisky, Kovorsitzender der deutschen und Vorsitzender der europäischen Linkspartei, führte das schwache Abschneiden der Linken auf die Wirtschaftskrise zurück, als wäre es eine unumstößliche Gesetzmäßigkeit, dass sich die Krise des Kapitalismus auf linke Wahlchancen negativ auswirkt. Doch war gerade diese EU-Wahl ein Stimmungsbarometer hinsichtlich der neoliberalen Globalisierung. Die Stimmung könnte schlechter nicht sein.

Der in nationalstaatlichen Demokratien mühsam aufrechterhaltene Konsens zwischen Regierenden und Regierten ist auf EU-Ebene nicht vorhanden. Die EU hat kein Demokratieproblem. Sie ist es. Unter Brüsseler Vorherrschaft erfolgte die Enteignung öffentlichen Eigentums und die Zerstörung damit verbundener Elemente örtlicher Selbstverwaltung, die rigorose Durchsetzung des Wettbewerbsprinzips, die Rücknahme sozialer Errungenschaften und die Beseitigung demokratischer Hindernisse. Das ist keine Fehlentwicklung im »europäischen Einigungsprozess«, darin besteht sein Wesensinhalt.

Die Masse der Wähler scheint das besser begriffen zu haben als das Gros der linken Parteien, deren »transformatorisches Projekt« auf die Umwandlung des »Europas der Konzerne« in ein demokratisches, friedliches, soziales und feministisches Europa zielt. Für ein Europa, in dem der Weg zum Sozialismus geöffnet werde, will die DKP kämpfen. Und Die Linke deklariert sich ohne Wenn und Aber als »proeuropäische Partei«. Was als Überwindung nationalstaatlicher Borniertheit dargestellt wird, ist die Anerkennung einer imperialistischen Koalition, die im Bündnis und im Wettbewerb mit dem US-Imperialismus die westliche Hegemonie über den Rest der Welt aufrechtzuerhalten sucht. Das »Europabewusstsein«, zu dessen Entwicklung Die Linke beizutragen versucht, beruht auf einem Wertesystem, dessen Überlegenheitsanspruch sich in Ordnungskriegen Geltung verschafft. Als friedlich und demokratisch will eine proeuropäische Linke diese Werte verstanden wissen.

Je angepasster die Linke, desto stärker neigt sich das Protestpotenzial nach rechts: als auf die antiislamische Spitze getriebener abendländischer Chauvinismus.

//