Bourgeoisie erteilt Ritterschlag zur Vereinigung der reformistischen SPD und Linkspartei

Als die hessische SPD Landesvorsitzende Andrea Ypsilanti nach der Landtagswahl 2008 erwog, eine rot-grüne Minderheitsregierung von der Linkspartei tolerieren zu lassen, da donnerte es mächtig. Im bürgerlichen Blätterwald wurde sie als „Lügilanti“ verschmäht. Eine Zusammenarbeit mit der nach bürgerlichem Duktus von damals „extremistischen Partei“ die Linke sei ein „Tabubruch“. Die Zeit war noch nicht reif genug.

Heute sieht die Lage anders aus. Von der FAZ heißt es väterlich „Das Ende der Selbstzerfleischung“[i] und der Spiegel lässt den SPD-intern rechten Flügel dies als „vernünftigen Schritt“[ii] loben als wäre man nie anderer Ansicht gewesen. Wie kommt es zu diesem Wandel?

Zwar sitzt Mutti Merkel noch sicher auf dem Kanzlerthron als erste Wahl der Bourgeoisie zu ihrer Vertretung, aber bekanntermaßen hält Nichts für die Ewigkeit. Nachdem irgendwann auch die ewigen Kanzler Adenauer und Kohl sich abgenutzt hatten und für einen bedeutenden Teil der Bourgeoisie nicht mehr tragbar waren, mussten andere Gesichter ran. Diese dankbare Rolle fällt in der BRD traditionell immer der SPD zu.

Dank der Agenda 2010, dem darauf folgenden teilweisen Bruch mit den Gewerkschaften und ihrer Rolle als Merkels Juniorpartner wird die SPD auch mit den Grünen zusammen ihrer Rolle als zweite Wahl der Bourgeoisie, eine „linke“ Bundesregierung zu bilden, nicht mehr gerecht. Die Bourgeoisie steht bekanntlich ungerne vor bösen Überraschungen, deswegen muss nun das „Tabu“ der Zusammenarbeit zwischen der SPD und der „extremistischen“ Linkspartei fallen. Nur mit Einbindung der Linkspartei ist „das linke Lager“ im Bundesparlament noch mehrheitsfähig und in der Lage der Bourgeoisie eine genehme Regierung zu liefern, sollte einmal Merkels Stern sinken.

 

 

Die Aufgabe einer solchen Regierung ist es, die werktätigen Massen durch möglichst (für das Kapital) schmerzarme Zugeständnisse ruhig zu stellen. Der SPD gelingt dieser Spagat zwischen nach innen dem Kapital dienen und nach außen eine vermeintlich Arbeiterpartei zu sein bei breiten Teilen ihrer Basis (den Arbeitern) nicht mehr. Die lausigen Ergebnisse der SPD bei den letzten beiden Bundestagswahlen bezeugen dies. Dennoch ist die Bourgeoisie zum Erhalt des „sozialen Friedens“ daran interessiert, tunlichst Streiks und Proteste der Werktätigen zu verhindern.

 

Es ist für die Bourgeoisie absehbar, dass durch den Vertrauens- und Glaubwürdigkeitsverlust der SPD dazu eine weitere Kraft ins Boot geholt werden muss, um dann doch durch süße Reden und unbedeutende nZugeständnisse Ruhe in das deutsche Arbeitshaus bringen. Dazu muss die Linksparteizu der zum Teil die enttäuschten SPD-Anhänger abgewandert sind, weiter in das parlamentarische System integriert werden.

Warum wechselt die Bourgeoisie erst jetzt die Taktik von der Ausgrenzung der Linkspartei zu ihrer Integration?

Dem sei zunächst vorausgeschickt, dass sie dieser „Arbeit“ auf dem Gebiet der DDR in den Landes-und Kommunalparlamenten schon lange gerecht wird und trotz aufflackernder „Stasi-Enthüllungen“ ein zuverlässiger Dienstleister des Kapitals ist. Ihre Rolle besonders Interessen der ostdeutschen Werktätigen zu vertreten wird sie spätestens seit der Vereinigung mit der WASG nicht mehr gerecht.

Aufschlussreich ist ein Artikel in Springers Welt, in der mit antikommunistischen Ressentiments von einer „Volksfront“ zwischen SPD und Linken gesprochen wird. Unter der aufschlussreichen Überschrift „Die SPD muss Koch, die Linke Kellner sein“ heißt es:

„Die DDR setzte fort, was die Nationalsozialisten begonnen hatten: das Verbot der Sozialdemokratie. 1946 war die SPD mit der KPD zwangsvereinigt worden, und den sozialdemokratischen Genossen zwischen Rostock und Chemnitz, Eisenach und Schwedt wurde diese traumatisierende Auslöschung ihrer traditions- und verlustreichen Partei als die Erfüllung des Traums von der Vereinigung aller Kräfte der Arbeiterbewegung angepriesen und mit Gewalt und Terror aufgenötigt.“

(…)

Die SPD müsste ihnen, mehr aber noch der Parteiführung der Linkspartei deutlich machen, dass – bei allem Respekt vor der Vielfalt von Ost-Lebensläufen – mit der SPD keine Politik zu machen ist, in der Reste von DDR-Nostalgie mitgeschleppt werden und in der der böse kommunistische Impetus weiter schwelt. Die Linkspartei muss ganz und gar auf den Boden dieser Republik kommen. Weil diese Partei nun einmal der abgeleitete Erbe einer totalitären Unrechtspartei ist, muss klar sein, dass die SPD kocht und die Linkspartei kellnert: So viel Konsequenz aus der Geschichte muss sein.

(…)

In Teilen der Sozialdemokratie ist die Erinnerung daran verblasst, dass die SPD nicht nur 1933 gegen Hitlers Ermächtigungsgesetz gestimmt hat, sondern vor und nach 1945 eine im besten Sinne antikommunistische Partei gewesen war.

Mancher in der SPD mag heute in der Linkspartei einen seelenverwandten Verein sehen. Und der seit der Lehrerschwemme der 70er-Jahre in der SPD verbreitete antibürgerliche Soupçon hatte in Teilen der SPD auch zur Folge, dass bis auf den heutigen Tag mancher von ein bisschen Volksfront träumt. Wäre das ein tragendes Motiv für die Annäherung zwischen SPD und Linkspartei, dann wäre das ein später Sieg der SED.“[iii]

Wir ersparen es uns und den Lesern, dieses widerliche Faschismus-verharmlosende Lügengebräu näher zu kommentieren, das auch durch ständige Wiederholung in der BRD-Geschichtslügerei nicht richtiger wird. Etwas anderes erwarten wir vom Namen Axel Springer schließlich gar nicht.

Es würde auch zu sehr von den echten Absichten hinter dieser Hetzrede ablenken. Die tatsächliche Intention des Autors ist es schließlich damit auszudrücken, dass sich gefälligst bei dieser Vereinigung der Reformisten der SPD Führer Gabriel oder andere rechte SPD-Führer durchzusetzen haben. Das soll nicht heißen, dass die Linkspartei in irgendeiner Weise für den Kapitalismus gefährlich ist. Nein, hier kommt zum Ausdruck, dass die verschiedenen Fraktionen der Bourgeoisie nach dem zuverlässigsten Pferd in ihrem Stall suchen. Nach Merkel als dem besten Pferd, ist ihnen Gabriel als zweite Wahl am liebsten.

Vorbehalte bestehen bei der Bourgeoisie zunächst bei jeder neuen reformistischen Kraft. Bei solchen „Chaoten“ wie gegenwärtig der PdL oder in den 1980ern den verrückten Grünen, will sich die Bourgeoisie erst gewiss sein, dass der wilde Gaul bereits ausreichend gezähmt ist. Dies deswegen, weil die Bourgeoisie natürlich keine für sie zu weitgehenden Zugeständnisse an die Werktätigen riskieren will. 8,50 € Mindestlohn sind ihr sogar schon zu viel. Der antikommunistische Ausfall der Welt ist somit nicht als realistische Einschätzung der Linkspartei zu verstehen, sondern als Warnung an die Außenseiter (die Linkspartei), dass sie sich ihren Platz am Katzentisch der Bourgeoisie erst verdienen müssen, sich erst bewähren müssen. Gleichzeitig soll damit die Führungsrolle des zuverlässigeren Pferdes SPD sicher gestellt werden.

Hinzu kommen die unterschiedlichen Auffassungen der Bourgeoisie Fraktionen. Sie haben zwar den Erhalt des Kapitalismus als gemeinsames Ziel, daneben aber auch Differenzen. Was ein Teil der Bourgeoisie als Zugeständnis hinnimmt, gilt dem anderen vielleicht schon als Kriegserklärung. Der Einzelhandelsmonopolist Lidl startete z. B. eine PR Kampagne für einen Mindestlohn in Höhe von 10,00 €, wohl wissend dass er unter den selbst gezahlten Löhnen liegt, aber der Konkurrenz schadet[iv].

Um dieses Gerangel auf marxistische Weise zu verstehen, muss man die Arbeitsteilung der Bourgeoisie voraussetzen. Gegenüber der ökonomischen Basis kann dabei der ideologische Überbau eine relative Selbstständigkeit einnehmen. Der ideologische Überbau ist dabei als eine Wiederspiegelung der ökonomischen Basis zu verstehen und nicht als ein unmittelbarer mechanischer Prozess zu begreifen, wo Ursache und Wirkung unmittelbar aufeinander folgen wie beim Aufziehen eines Hampelmanns.

 

Das macht das Geschehen wie es ist so verwirrend und für Nicht-Marxisten so scheinbar irrational. So ist es dann auch zu erklären, dass der Faschismus als treuster Diener des Monopolkapitals beim Reichspräsidenten Hindenburg wenige Monate vor der Machtübertragung an Hitler durch eine Streikaktion Verwirrung auslöste, ob die Faschisten nun nicht doch nach „links“ abdrifteten. Dies musste Hitler dann erst mit einem persönlichen Brief an den Herrn Reichspräsidenten aus der Welt schaffen[v].

Spätestens jetzt, wo der gemeinsame Weg der beiden reformistischen Parteien schon von der Bourgeoisie vorgezeichnet wurde, sollten es sich die Führungen und Genossen der DKP oder KPD (Ost) doch nochmal schwer überlegen, ob sie sich dieser Partei annähern und unterordnen wollen.

Die KI.



[i]
FAZ online vom 13.11.2013
http://www.faz.net/aktuell/politik/inland/die-spd-und-die-linkspartei-das-ende-der-selbstzerfleischung-12662186.html

[ii]Spiegel online vom 13.11.2013
http://www.spiegel.de/politik/deutschland/spd-seeheimer-kreis-stuetzt-annaeherung-an-linkspartei-a-933232.html

[iii]Welt online vom 22.11.2013
http://www.welt.de/debatte/kommentare/article122133071/Die-SPD-muss-Koch-die-Linke-Kellner-sein.html

[iv]Frankfurter Rundschau online vom 20.12.2010
http://www.fr-online.de/wirtschaft/einzelhandel-lidl-fordert-zehn-euro-mindestlohn,1472780,5031524.html

[v]Wortlaut Hitlers zur Teilnahme des NSBO am Streik:
„Die Leute sind sehr erbittert. Wenn ich meine Leute von der Beteiligung abgehalten hätte, hätte der Streik doch stattgefunden, aber ich hätte meine Anhänger in der Arbeiterschaft verloren; das wäre auch kein Vorteil für Deutschland.“

 

//