AG Bildung: Die Jagd nach dem Extraprofit

In dem Beitrag „Strategien der Ausbeutung“ haben wir gesehen, wie sich die Kapitalisten mit der absoluten und relativen Mehrwertproduktion die Mehrarbeit (entspricht der Differenz der täglichen Arbeitszeit und der notwendigen Arbeit) unmittelbar aus der Arbeitskraft des Arbeiters unentgeldlich aneignen. Mit der Jagd nach dem Extraprofit, von Karl Marx als „Surplus“ bezeichnet, eröffnet sich den Kapitalisten eine neue Quelle des Profits, der – wie wir im Folgenden sehen werden – aus der Kapitalbewegung (worin die durch Kapital in Bewegung gesetzte Arbeit inbegriffen ist) selbst resultiert.  
Kapitalisten investieren in den Produktionsbetrieb ihres Unternehmens, um mit neuen Technologien, mit Hilfe modernerer resp. umorganisierter Produktionsabläufe, etc. Waren zu produzieren, die gegenüber den Produktionsverfahren ihrer Konkurrenten einen geringeren Kostpreis (= Wert der in einer Ware enthaltenden Arbeit, d.h. c + v) aufweisen. Ein Kapitalist kann allerdings auch durch den Ankauf von innovativeren, geschickteren oder schnelleren Arbeiter zu geringeren Kostpreisen kommen. Aus diesem „….schneller als …“, „… besser, wie …..“ oder „….effektiver, wie…“ resultiert ein Extraprofit, der zunächst unabhängig von der auszubeutenden Arbeitskraft ist. Den Ursprung und die innere Logik des Extraprofits verdeutlicht ein einfaches Rechenbeispiel.

Nehmen wir an, Kapitalist A produziert eine Waschmaschine mit einem Kostpreis von 1000 €. Diese Summe setzt sich aus einem konstanten Kostenanteil von c = 700 € und einem variablen Kostenanteil von v = 300 € zusammen. Unter Berücksichtigung eines für Waschmaschinen auf dem ganzen Markt üblichen Durchschnittsprofits in Höhe von 15% (= 150 €) ergibt sich für den Kapitalisten A ein individueller Produktionspreis (= Kostpreis + Durchschnittsprofit) von 1150 €. Nehmen wir weiterhin an, daß die große Masse der Produzenten unter diesen Bedingungen Waschmaschinen herstellt und die Nachfrage auf dem Markt dem Angebot entspricht, kann der durchschnittliche Produktionspreis von 1150 € mit dem Marktpreis gleichgesetzt werden.
Nun entwickelt Kapitalist B ein Produktionsverfahren mit schnelleren Maschinen, daß es ihm erlaubt, eine vergleichbare Waschmaschine mit weniger Lohnarbeit zu produzieren. Die konstanten Kosten betragen gleichbleibend 700 € während der Kapitalist nur noch 250 € für die Lohnarbeit als variable Kosten vorschiessen muss. In der Summe beträgt sein Kostpreis nun 950 € und der individuelle Produktionspreis beläuft sich auf 950 + 150 = 1100 €. Kapitalist B mit seinem individuellen Produktionspreis von 1100 € kann seine Ware jedoch auch zum üblichen Marktpreis von 1150 € verkaufen. In diesem Fall erhält Kapitalist B neben der Aneignung des Mehrwertes in Form des Durchschnittsprofites in Höhe von 150 € einen Extraprofit von 50 €. Selbst wenn er seine Waschmaschine unter dem Marktpreis für z.B. 1100 € verkauft, macht Kapitalist B einen größeren Profit als seine Konkurrenten.
Liegt also der individuelle Kostpreis eines Kapitalisten unter dem Durchschnitt, indem er aus irgendeinem Grund billiger als seine Konkurrenz produziert, kann er seine Waren zum Marktpreis (oder unter dem Marktpreis verkaufen) und macht dabei einen Extraprofit. Die Profitrate des Kapitalisten ist solange gegenüber der Konkurrenz größer, bis diese sich den wie auch immer gearteten Produktionsfortschritt angeeignet und sich in der gesamten Branche etabliert hat. Unter diesen Bedingungen schwindet die Differenz zwischen dem individuellen und dem gesellschaftlich durchschnittlichen Produktionspreis.
Bei Strafe ihres eigenen Unterganges unterliegen die Kapitalisten einem inneren und äußeren Zwang, sich zumindest für einen gewissen Zeitraum durch die Erhöhung der Produktivität einen Extraprofit zu sichern. Denn will der Konzern B im Kampf gegen seine Konkurrenten (A, C, D, etc.) nicht unterliegen und im schlimmsten Fall Pleite gehen, so ist er gezwungen ebenfalls seine Produktionsweise beständig verbessern zu müssen. In der Jagd nach dem Extraprofit ist der Grund zu suchen, weshalb finanzkräftige Unternehmen große Forschungs- und Entwicklungsabteilungen unterhalten, in den neue Verfahren, Maschinen, etc. geplant und realisiert werden. Diese Forschungsergebnisse werden gehütet wie Staatsgeheimnisse und sind Begierde der Industriespione.
Die Profitrate ist die treibende Kraft in der kapitalistischen Produktion. Ein Kapitalist produziert nur die Waren, mit denen er auch Profit produzieren kann. Er wird kein neues Produktionsverfahren einsetzen, auch wenn es viel produktiver ist als sein bisheriges, sobald eine Abnahme seiner Profitrate droht. Jede neue Produktionsweise, die dem Kapitalisten einen Extraprofit sichert, verbilligt aber die angebotenen Waren. Der Kapitalist verkauft sie zunächst über ihren Produktionspreis, möglicherweise auch über ihren Wert. Er streicht die Differenz ein, die zwischen seinen Produktionskosten und dem Marktpreis der übrigen, zu höheren Produktionskosten produzierten Waren besteht. Dies ist möglich, weil der Durchschnitt der zur Produktion der Waren gesellschaftlich benötigten Arbeitszeit größer ist als die mit seiner neuen Produktionsweise benötigen Arbeitszeit. Die Konkurrenz aber nimmt sich der neuen Produktionsweise an. In der Folgezeit wird ein anderer Kapitalist eine Runde in der Jagd nach dem Extraprofit einläuten. Im Laufe der zunehmenden Dynamik sinkt der gesellschaftlich durchschnittliche Wert einer Ware. In letzter Konsequenz unterwerfen sich die Kapitalisten durch die Jagd nach dem Extraprofit dem Gesetz des tendenziellen Falls der Profitrate – und das alles unabhängig vom Willen der Kapitalisten.
Abschließend möchten wir noch kurz auf zwei weitere Aspekte der Jagd nach dem Extraprofit eingehen. Zur kapitalistischen Finanzierung von neuen Produktionsverfahren muss in Abhängigkeit von der Entwicklung der Produktivkräfte von den Kapitalisten immer mehr kapitalisierter Mehrwert aufgewendet werden. Durch den Prozess werden die weniger kapitalkräftigen Unternehmen bei der Jagd nach dem Extraprofit von den kapitalkräftigeren Unternehmen vom Markt verdrängt. Die Konzentration und Zentralisation des Kapitals sind eine weitere Folge der Jagd nach dem Extraprofit. Auf diese Zusammenhänge wird in einem Beitrag der nächsten KI-Infos eingegangen.
Zur Vertiefung der „Jagd nach dem Extraprofit“ empfehlen wir das Studium der entsprechenden Kapital im „Kapital“ von Karl Marx (Bd. III: 164-181, S. 653-661) empfohlen.

AG Bildung

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