AG Bildung: Der Kreislauf des Kapitals

Liebe Genossen, liebe Leser. In dem folgenden Kapitel wollen wir uns mit der Triebfeder der kapitalistischen Produktion beschäftigen. Es geht heute um die Definition und die Ableitung wichtiger Begriffe wie Kapital, Mehrwert und Kapitalkreislauf. Der vor Euch liegende Text ist vergleichsweise umfangreich geworden – hierfür bitten wir um Entschuldigung. Auf eine Teilung des Textes haben wir dennoch verzichtet, da wir den Verlust der inneren Logik bei einem in sich abgeschlossenen Themas befürchteten.
Bevor wir uns dem neuen Thema widmen, kurz ein Rückblick auf den Text des vergangenen Newsletters.

In der einfachen Warenzirkulation
W – G – W
hatten wir gesehen, daß Waren als Äquivalente mit gleichen Werten ausgetauscht werden. Der Prozeß geht von der Ware aus: sie wird in Geld verwandelt und das Geld wird wieder in eine Ware rückverwandelt. Das Geld fungiert bei der einfachen Warenzirkulation als reines Zirkulationsmittel. Die Befriedigung von Bedürfnissen, d.h. „Verkaufen um zu kaufen“ oder mit anderen Worten der Gebrauchswert der Ware ist der Endzweck der einfachen Warenproduktion.
Neben der einfachen Warenzirkulation finden wir noch eine zweite spezifisch unterschiedliche Form:
G – W – G,
bei der das Geld zu Beginn und am Ende des Prozesses in Erscheinung tritt. Beim einfachen Kapitalkreislauf, um den es sich bei dieser Bewegungsform handelt, wird Geld in eine Ware verwandelt und diese wieder in Geld rückverwandelt. „Kaufen um zu verkaufen“, das ist die Bewegungform des einfachen Kapitalkreislaufes und sein bestimmender Zweck ist der Tauschwert selbst.
Das Geld aus der einfachen Warenzirkulation mit dem der liebe Nachbar seine Lebensmittel zum Überleben bezahlt, unterscheidet sich von dem Geld aus dem einfachen Kapitalkreislaufes letztendlich nur durch seine Zirkulationsform. Jeder Geldbetrag, der auf einem Markt – sei es der Arbeitsmarkt, der Warenmarkt etc. – in Erscheinung tritt, tritt immer noch als Geld in Erscheinung. Erst, wie wir gesehen haben, durch spezifische Zirkulationsprozesse verwandelt sich das Geld in Kapital.
Der einfache Kapitalkreislauf G – W – G ergibt keinen Sinn, wenn der Geldbetrag vor und nach der Zirkulation denselben quantitativen Wert hätte – wenn also lediglich Geldwert gegen Geldwert getauscht wird. Aus der Sicht des Kapitalisten ist der Zirkulationsprozeß also nur dann logisch, wenn es gelänge, durch die Zirkulation selbst den Geldbetrag zu erhöhen. Die vollständige Form dieses Prozesses ist daher
G – W – G`,
wobei G’ = G + Delta G. G` setzt sich also aus der vom Kapitalisten vorgeschossenen Geldsumme und einem Zuwachs gegenüber dem ursprünglichen Wert zusammen, den Marx als ‘Mehrwert’ (surplus value) bezeichnet hat. Der vorgeschossene Wert (G) erhält sich also nicht nur in der Zirkulation, sondern er verändert seine Wertgröße indem er einen Mehrwert (in unserem Beispiel Delta G) zusetzt. Diese Bewegung verwandelt Geld in Kapital. Die Zirkulation des Geldes als Kapital ist ein von selbst auflaufender Prozeß, denn die Verwertung des Kapitals existiert nur innerhalb dieser stets neuen Bewegung: beständig wird gekauft, um teurer zu verkaufen.
Doch wie kann ein Kapitalist aus dem Kauf und Verkauf von Waren einen größeren Wert aus der Zirkulation erzielen oder anders formuliert, woher kommt die Zusetzung von Mehrwert in dem Kreislauf?
Bürgerliche Ökonomen behaupten, daß Mehrwert aus der einfachen Warenzirkulation W – G – W resultiert, da der Warenbesitzer auf den Einkaufspreis lediglich eine x-beliebige Summe aufaddiert und hofft, den Verkaufspreis auf dem Markt durchsetzen zu können. Bereits ein einfaches Gedankenspiel zeigt, daß die Behautpung der bürgerlichen Logik der tatsächlichen Herkunft des Mehrwertes nicht Stand hält. Kapitalisten treten auf dem Markt sowohl als Käufer und als Verkäufer von Waren auf. Ein Preisaufschlag von angenommen 10 % auf den Verkaufspreis würde der Käufer einer Ware auf sein Produkt kalkulieren und seinen Verkaufspreis wiederum um 10 % erhöhen. Den Betrag, den ein Kapitalist durch den Verkauf seiner Ware an Profit herausholt, müsste er beim Kauf einer Ware mehr ausgeben. Der Mehrwert entspringt somit nicht der Zirkulation, da die miteinander getauschten Wertverhältnisse in der Zirkulation gleichbleiben und der getauschte Wert dem in der Ware verkörperten Wert (Äquivalententausch) entspricht. Auch beim Tausch von Nicht-Äquvialenten entsteht bezogen auf gesellschaftlichen Ebene kein Mehrwert. Marx stellte zusammenfassend fest:
Die Zirkulation oder der Warenaustausch schafft keinen Wert.” (Karl Marx, Das Kapital, I. Band, S. 177f)
Um sich Mehrwert anzueignen, muß ein Kapitalist also auf dem Markt eine Ware vorfinden, die er zu ihrem Wert kauft und nach dessen Nutzung resp. dessen Gebrauch er am Ende des Zirkulationsprozesses mehr Wert erhält, als von ihm vorgeschossen wurde. Diese Ware muss die Eigenschaft besitzen, a) Quelle von Wert zu sein und b) durch ihren Verbrauch selbst vergegenständlichten Wert zu schaffen. Diese spezifische Ware ist das
“…..Arbeitsvermögen oder die Arbeitskraft.” (Karl Marx, Das Kapital, I. Band, S. 181)
Damit der Kapitalist die wertschöpfende Eigenschaft der Ware Arbeitskraft nutzen kann, muss der Träger der Ware Arbeitskraft (d.h. der Proletarier) über diese frei verfügen können. Zudem darf er selbst nicht Waren produzieren und sie auf dem Markt anbieten können.
Steht nun dem Kapitalisten die Ware Arbeitskraft zur Verfügung, können wir aus der einfachen Formel des Kapitals die Formel des Kapitals, der Kapitalkreislauf ableiten:
G ⎯ W (Pm + Ak) ….. P ⎯ W’ ⎯ G’
Ein Kapitalist mit einem Quantum Geld kauft auf dem Markt Waren in Form von Produktionsmitteln (Pm, d.h. Rohstoffe, Betriebsmitteln, Maschinen, etc.) ein. Weiterhin benötigt der Kapitalist die Ware Arbeitskraft (Ak), die er vom besitzlosen Proletarier erhält, da dieser seine Arbeitskraft zur Existenzsicherung verkaufen muss.
Die erste Phase der Bewegung des Kapitals besteht in der Verwandlung von Geldkapital (G) in produktivem Kapital (W (Pm + Ak)).
In der zweite Phase werden die eingesetzten Produktionsmittel (Pm) sowie die Arbeitskraft (Ak) im Produktionsprozess (P) konsumiert. Dieser Teil der Gesamtbewegung des Kapitals lässt sich durch die Verwandlung von produktivem Kapital in Warenkapital beschreiben. Der Wert der neuen Ware (W`) wird durch ihre gesellschaftlich durchschnittlich notwendige Arbeitszeit bestimmt (vergl. Text „Wesen der Ware“ der AG) .
In der dritten Phase der Kapitalbewegung wird das Warenkapital (W’) mit einem neuen Warenwert wiederum in Geldkapital (G’) rückverwandelt. Den Mehrwert (d.h. die Differenz zwischen G und G`) der Zirkulation eignet sich der Kapitalist an und kann zumindest partiell im nächsten Produktionszyklus wieder durch den Kauf neuer Produktionsmittel und Arbeitskräften wieder kapitalisiert (d.h. in Kapital überführt) werden. Am Ende der nun erneut einsetzenden Zirkulation entsteht ein neuer Mehrwert, den sich der Kapitalist erneut aneignet.
Das im Besitz des Kapitalisten befindliche und als Kapital zum Zwecke der Ausbeutung fremder Arbeit in der Zirkulation eingesetzte Geld (= Kapital) liegt zum ersten das permanente Anwachsen von G zu G` und zum zweiten die von Marx als “absoluter Bereicherungstrieb” bezeichnete Gier der Kapitalisten begründet. Es ist eben das Ziel des Kapitalisten, das vorgeschossenen Kapital zu verwerten und nicht die Bedürfnisse der Gesellschaft zu befriedigen.
Die in der allgemeinen Formel des Kapitals zum Ausdruck kommende Bewegung stellt einen dialektischen Prozess dar. Beim Durchlaufen des Kapitalkreislaufes pendelt die Ware beständig zwischen ihrer Naturalform und der Geldform: Durch den Kauf der Produktionsmittel wechselt die Ware von der Geldform in die Naturalform. In der Produktion verändert sich die Warenform in der Weise, dass sie am Ende der Produktion eine Neuware mit einem höheren Wert verkörpert. Durch den Verkauf wird das neu geschaffene Warenkapital von seiner Naturalform erneut in die Geldform überführt.
Die einfache Warenzirkulation ist der kapitalistischen Warenproduktion sowohl logisch als auch historisch vorausgegangen. Allerdings entwickelte sich aus der einfachen Warenzirkulation – im Gegensatz zur kapitalistischen Warenproduktion – niemals eine Gesellschaftsformation, denn das ihr innewohnende Prinzip „Verkaufen um zu kaufen“ schließt eine Zirkulationsform, die ihre eigene Dynamik entwickelt und immer wieder ihre eigene Bewegung generiert, aus. Lediglich der Kreislauf des Kapitals erfüllt die von Marx als obligatorisch formulierte Bedingung für die kapitalistische Warenproduktion:
„Welches immer die gesellschaftliche Form des Produktionsprozesses, er muss kontinuierlich sein oder periodisch stets von neuem dieselben Stadien durchlaufen.“ (Karl Marx, Das Kapital, I. Band, S. 202)
Die allgemeine Formel des Kapitals drückt in konzentrierter Form das Wesen des Kapitalismus aus. Der Klasse der Arbeiter (Proletariat), die als Nichteigentümer der Produktionsmittel nur ihre Arbeitskraft besitzt und sie als Ware verkaufen muss, steht der Klasse der Kapitalisten (Bourgeosie), d.h. die die Produktionsmittel besitzende Klasse, unversöhnlich gegenüber. Das Ziel der kapitalistischen Produktion ist die unentgeltliche Aneignung des vom Proletariat geschaffenen Mehrwert (oder den gesellschaftlich produzierten Reichtum) durch die Klasse der Kapitalisten. Gerade der Widerspruch zwischen dem gesellschaftlichen Charakter der Produktion und der privaten Aneignung des Mehrwertes ist der zentrale Widerspruch des Kapitalismus.
Weiterhin ist festzustellen, daß das Kapital ein gesellschaftliches (Produktions-)Verhältnis darstellt. Geld, Waren und Produktionsmittel werden erst unter bestimmten gesellschaftlichen Bedingungen zu Kapital, nämlich dann, wenn sie durch den Kauf der Ware Arbeitskraft und Produktionsmittel unter Kontrolle von Privateigentümern sind und der Erzeugung und Aneignung von Mehrwert dienen. Die gesellschaftliche Voraussetzung für diesen Kreislauf ist die Konzentration der Produktionsmittel in den Händen einer Minderheit von Kapitalisten auf der einen und der Abspaltung der Masse der Produzenten von den Produktionsmitteln und die daraus resultierende Verwandlung ihrer Arbeitskraft in eine Ware auf der anderen Seite.
In dem folgenden Beitrag werden wir uns mit dem Ursprung des Mehrwertes auseinandersetzen.
Originalliteratur zum Kapitalkreislauf:
K. Marx: Das Kapital, I. Band: S. 161 – 180, II: Band: S. 31 – 64, S. 69 – 90

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