Sozialistische Emanzipation und sozialistische Revolution

Die Marxsche Entdeckung der welthistorischen Mission des Proletariats

von Otto Finger

»Das für die Bestimmung des neuen Inhalts, der weltgeschichtlich neuen Aufgaben und Perspektiven der sozialistischen Revolution gegenüber allen vorhergegangenen Revolutionen wichtigste Resultat der Marxschen materialistischen Analyse der deutschen Zustände lautet: Der Träger dieser Emanzipation „auf menschlicher Höhe“, der Gestalter der humanistischen Zukunft aller Völker, der revolutionäre Erbauer der sozialistischen Gesellschaft kann nur das Proletariat sein. –

Und zwar gelangt Marx zu diesem wahrhaft epochemachenden Ergebnis nicht zuletzt aus der Erkenntnis, dass alle „besondern“ Klassen in Deutschland, das sind die Klassen, die nicht die Mehrheit, sondern jeweils bestimmte Minderheiten der Gesellschaft repräsentierten, ihre revolutionäre Tatkraft bereits eingebüßt haben. –

So etwa spricht Marx davon, dass hier schon jede Sphäre der bürgerlichen Klasse ihre eigene Schranke entwickelt, bevor sie die ihr gegenüberstehende Schranke überwunden hat. Dass die „besonderen“ Klassen der bürgerlichen Gesellschaft, wie Marx weiter sagt, schon ihre Niederlage erleben, noch ehe sie ihren Sieg feiern können, hat seine tiefste soziale Wurzel im bereits aufbrechenden hauptsächlichen Klassenwiderspruch der bürgerlichen Gesellschaft, demjenigen zwischen Proletariat und Bourgeoisie. –

Marx stößt so zu den entscheidenden materiell-gesellschaftlichen Ursachen der miserablen deutschen Verhältnisse, der elenden, duckmäuserischen Verhaltensweise der deutschen Bourgeoisie vor, ihrer mangelnden politischen Energie, um ihre eigenen Klasseninteressen nach dem revolutionären Vorbild Frankreichs im 18. Jh. durchzusetzen. Es heißt hierzu:

… dass jede Klasse, sobald sie den Kampf mit der über ihr stehenden Klasse beginnt, in den Kampf mit der unter ihr stehenden verwickelt ist. Daher befindet sich das Fürstentum im Kampf gegen das Königtum, der Bürokrat im Kampf gegen den Adel, der Bourgeois im Kampf gegen sie alle, während der Proletarier schon beginnt, sich im Kampf gegen den Bourgeois zu befinden. Die Mittelklasse wagt kaum von ihrem Standpunkt aus den Gedanken der Emanzipation zu fassen, und schon erklärt die Entwicklung der sozialen Zustände wie der Fortschritt der politischen Theorie diesen Standpunkt selbst für antiquiert oder wenigstens für problematisch.“ [1/50]

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Alles, was Marx im gleichen Zusammenhang über die sozialpsychologische und moralisch-ideologische Physiognomie des deutschen Bourgeois und Philisters sagt, hat dies zur materialistischen Voraussetzung: die objektive Klassenlage, die objektive Konstellation der Klassenkräfte. Wenn also beispielsweise Marx über das moralische Selbstgefühl der deutschen Mittelklasse spricht, das auf dem Bewusstsein beruhe, allgemeine Repräsentantin der philisterhaften Mittelmäßigkeit der übrigen Klassen zu sein. –

Oder wenn Karl Marx es den „Hauptstock deutscher Moral und Ehrlichkeit“ nennt, dass die verschiedenen Klassen der deutschen Gesellschaft es nur zu jenem „bescheidenen Egoismus“ bringen, der bloß seine eigne Beschränktheit geltend macht und gegen sich zur Geltung bringen lässt. All dies leitet Marx nicht aus den Tiefen des „deutschen Gemüts“, dem „Geist“ der deutschen Zustände etc. her, sondern aus dem wirklichen, materiellen Prozess der Klassenentwicklung.

Und Karl Marx beginnt, die Klassenentwicklung materialistisch konkret dadurch zu begründen, indem er sie aus den Eigentumsverhältnissen zu erklären anfängt. Und zwar tut er dies expressis verbis für die objektive Lage des Proletariats innerhalb der bürgerlichen Gesellschaft und für die aus dieser Lage entspringende revolutionäre Mission des Proletariats.

Als eine allgemeine objektive Bedingung für die Befähigung einer Klasse zum revolutionären Handeln formuliert Karl Marx gegen die idealistische Illusion, dass hierfür schon „revolutionäre Energie“ an sich oder „geistiges Selbstgefühl“ ausreichten, das folgende:

Damit die Revolution eines Volkes und die Emanzipation einer besonderen Klasse der bürgerlichen Gesellschaft zusammenfallen, damit ein Stand für den Stand der ganzen Gesellschaft gelte, dazu müssen umgekehrt [2/51] alle Mängel der Gesellschaft in einer andern Klasse konzentriert, dazu muss ein bestimmter Stand der Stand des allgemeinen Anstoßes, die Inkorporation der allgemeinen Schranke sein, dazu muss eine besondre soziale Sphäre für das notorische Verbrechen der ganzen Sozietät gelten … Damit ein Stand par excellence der Stand der Befreiung, dazu muss umgekehrt ein Stand der offenbare Stand der Unterjochung sein.“ [3/52]

Karl Marx formuliert damit einen entscheidenden Programmpunkt der ganzen nachfolgenden näheren Ausführung der Revolutionstheorie: dieser Punkt betrifft die Notwendigkeit, jene objektiven Bedingungen zu analysieren, die das Proletariat zur revolutionären Aktion treiben. Wenn Marx etwa von der Konzentration aller Mängel der Gesellschaft in einer Klasse spricht, so zielt dies bereits auf die Zerschlagung all jener Illusionen über revolutionäre Veränderbarkeit, die nur einen bestimmten Typ von „Mängeln“ überhaupt zur Kenntnis nehmen: die Gebrechen des geistigen, sittlichen, ideologischen Lebens der alten Gesellschaft. –

Die folglich weder imstande waren – wie die Junghegelianer, wie Ludwig Feuerbach oder auch Max Stirner – diese ideellen Produkte miserabler gesellschaftlicher Verhältnisse noch die Verhältnisse selbst umzuwälzen. –

Das Marxsche Programm der Sozialanalyse formiert sich als materialistisches nicht zuletzt aus beginnenden Einsichten in die absolute Verfehltheit idealistischer Weltverbesserungspläne, die Untauglichkeit einer an der ideologischen Oberfläche verharrenden Sozialkritik. –

Gegen die in der alten, auch sozialkritisch akzentuierten Philosophie verabsolutierte ideelle Sphäre setzt Karl Marx die „soziale Sphäre“. Die „allgemeinen Schranken“ der alten Gesellschaft sind nach Marx, soll Revolution möglich und notwendig sein, nicht bloße Schranken des Bewusstseins, sondern des Seins: Inkorporation, Verkörperung dieser Schranken in der sozialen Realität, in einem „Stand“, einer sozialen Gruppe, einer Klasse.

Weil auf gesellschaftliche Realität ausgedehnt, weil mit Widersprüchen dieser Realität konfrontiert, vereinigt sich der Marxsche Materialismus mit Dialektik zu einer revolutionären Weltanschauung und Untersuchungsmethode. Die Geburt der neuen materialistischen Philosophie des Proletariats ist darum von diesem Vorgang der Gewinnung einer auf gesellschaftliche Realität und auf Veränderung realer gesellschaftlicher Verhältnisse, auf Lösung von Klassenantagonismen abzielenden dialektischen Denkweise nicht abtrennbar. Marx fragt, nachdem er die Unfähigkeit der deutschen Bourgeoisie, revolutionär zu handeln, erkannt hat: „Wo also die positive Möglichkeit der deutschen Emanzipation?“ [4/53] Die Antwort beginnt den Keim zu legen für die Unauflöslichkeit von Materialismus, proletarischer Parteilichkeit und sozialistischen Humanismus in der wissenschaftlichen Philosophie der Arbeiterklasse. Vom Keim dieses weltanschaulichen ganzen reden heißt hier, wie in der ganzen vor dem „Manifest der Kommunistischen Partei“ liegenden theoretischen Entwicklung, auch dies beachten: Eine Reihe von später voll durchgebildeten Motiven philosophischer, politökonomischer und politischer Art sind hier öfter noch in der inhaltlichen und terminologischen Annäherung als schon in klassischer Klarheit entwickelt.

Karl Marx antwortet in der „Einleitung zur Kritik der Hegelschen Rechtsphilosophie“ auf die Frage, worin die Möglichkeit der Revolution auf sozialistischer Entwicklungshöhe gegeben sei: „In der Bildung einer Klasse mit radikalen Ketten, einer Klasse der bürgerlichen Gesellschaft, welche keine Klasse der bürgerlichen Gesellschaft ist, eines Standes, welcher die Auflösung aller Stände ist, einer Sphäre, welche einen universellen Charakter durch ihre universellen Leiden besitzt und kein besonderes Recht in Anspruch nimmt, weil kein besondres Unrecht, sondern das Unrecht schlechthin an ihr verübt wird, welche nicht mehr auf einen historischen, sondern nur noch auf den menschlichen Titel provozieren kann … einer Sphäre endlich, welche sich nicht emanzipieren kann, ohne sich von allen übrigen Sphären der Gesellschaft und damit alle übrigen Sphären der Gesellschaft zu emanzipieren, welche mit einem Wort der völlige Verlust des Menschen ist, also nur durch die völlige Wiedergewinnung des Menschen sich selbst gewinnen kann. Diese Auflösung der Gesellschaft als ein besonderer Stand ist das Proletariat. Das Proletariat beginnt erst durch die hereinbrechende industrielle Bewegung für Deutschland zu werden, denn nicht die naturwüchsig entstandene, sondern die künstlich produzierte Armut …, die aus ihrer (der Gesellschaft; O. F.) akuten Auflösung, vorzugsweise aus der Auflösung des Mittelstandes, hervorgehende Menschenmasse bildet das Proletariat …

Wenn das Proletariat die Auflösung der bisherigen Weltordnung verkündet, so spricht es nur das Geheimnis seines eigenen Daseins aus, denn es ist die faktische Auflösung dieser Weltordnung. Wenn das Proletariat die Negation des Privateigentums verlangt, so erhebt es nur zum Prinzip der Gesellschaft, was die Gesellschaft zu seinem Prinzip erhoben hat, was in ihm als negatives Resultat der Gesellschaft schon ohne sein zutun verkörpert ist.“ [5/54]

Das Zitierte ist eine durch und durch weltanschaulich-philosophische Passage. Und zwar in dem Sinne, wie wir den Begriff Weltanschauung zu verwenden haben: er bezeichnet wesentlich solche Aussagen, die sich auf die Stellung und Perspektive gesellschaftlicher Klassen im Geschichtsprozess (eingeschlossen den geschichtlichen Vorgang der Naturaneignung durch den arbeitenden Menschen) beziehen. Es ist eine Feststellung proletarisch-kritischer, proletarisch-parteilicher und sozialistisch zukunftsgewisser Philosophie: Die Stellung des Proletariats wird hier ebensosehr in ihrer negativen Seite innerhalb der bürgerlichen Gesellschaft gefasst – eben als Negation, als Auflösung dieser Gesellschaft, die auf der Seite des noch nicht kämpfenden Proletariats „Verlust des Menschen“, Erniedrigung, Knechtung, Verelendung ist – wie in ihrer positiven Seite – im Hinblick nämlich auf den revolutionär-emanzipatorischen Akt der Selbstbefreiung des Proletariats, der die Befreiung der ganzen Gesellschaft von ihren vorsozialistischen Fesseln einschließt.

Das solcherart philosophische Moment ist in folgendem Sinne zugleich ein Moment wissenschaftlich-sozialistischer Theorie: Karl Marx beginnt einen entscheidenden Akzent auf die gesetzmäßigen Vorgänge innerhalb der bürgerlichen Gesellschaft zu legen, denen das Proletariat Existenz, besondere Stellung und weltgeschichtlich revolutionäre Zukunft verdankt. In diesem Sinne ist bei Karl Marx von den klassenmäßigen Konsequenzen der industriellen Bewegung die Rede.

Die Differenz zum sozialistischen Utopismus ist hier ferner darin sichtbar, dass Marx keineswegs im Klagen über die elende Situation des Proletariats verharrt oder gar die Beseitigung dieses Elends von der Gesellschaft oder der Humanität, der Aufgeklärtheit, der Vernunft der Bourgeoisie erwartet. Vielmehr haben wir es hier mit der für den aktivistischen, dialektischen Charakter der wissenschaftlichen Revolutionstheorie und ihrer weltanschaulichen Voraussetzungen typischen Haltung ihres Begründers zu tun: Karl Marx beginnt im Proletariat nicht bloß die leidende, sondern die revolutionäre kämpfende Klasse, zur tiefgreifendsten aller bisherigen geschichtlichen Umwälzungen fähige Klasse zu erkennen.

Schließlich ist ein humanistisches Grundmotiv der neuen Weltanschauung als ganzes angedeutet, wenn Karl Marx als das höchste Ziel der Selbstbefreiung des Proletariats die Befreiung der ganzen Gesellschaft, aller ihrer „Sphären“, die völlige Wiedergewinnung des Menschen“ verkündet. Dieser Ausdruck mag zugleich verdeutlichen, inwiefern hier wissenschaftlicher Sozialismus und revolutionäre Theorie, weil noch im Entstehen begriffen, sich noch in Formeln des anthropologisch beschränkten Materialismus bewegen. Ein Rest dieses Anthropologismus und abstrakten Humanismus ist hier in folgendem Sinne erkennbar: Marx unterstellt hier – ähnlich wie in den wenig später abgefassten „Ökonomisch-philosophischen Manuskripten“ – gleichsam ein der bürgerlichen Gesellschaft vorausgehendes Wesen des Menschen, das, in ihr verlorengegangen, nunmehr wiederzugewinnen wäre. Ausdrücke wie „Wiedergewinnung“, „Wiederaneignung des Menschen“, auch „Verlust des Menschen“ deuten auf Feuerbach zurück, sosehr Marx schon in der „Einleitung“ politisch und theoretisch über ihn hinaus ist. Allerdings gewinnen diese Termini auf dem Boden einer durchgeführten politisch-ökonomischen Analyse und Kritik der kapitalistischen Produktionsweise einen gänzlich neuen Inhalt: Sie sind vorläufige Formeln, in denen sich das Faktum der Ausbeutung des Arbeiters durch den Kapitalisten, des so konkret gefassten „Verlustes des Menschen“ ausspricht sowie das Resultat des revolutionären Sturzes dieses Ausbeutersystems: die Selbstentfaltung, die Selbstverwirklichung des Menschen in der vom Kapital befreiten Arbeit, der sozialistischen [-emanzipatorischen-] Arbeit.

Philosophie und wissenschaftlicher Kommunismus beginnen, sich mit politischer Ökonomie zu vereinigen: Karl Marx stellt die sozialökonomische Hauptfrage der sozialistischen Revolution, die Frage der Aufhebung des privatkapitalistischen Eigentums. Die Entwicklung des Proletariats wird materialistisch in den unauflöslichen Zusammenhang mit der „industriellen Bewegung“ gebracht. Das Proletariat verkörpert die Auflösung, will auch sagen die materielle Notwendigkeit der Umwälzung der alten Verhältnisse, indem es in ihnen nicht primär in gedanklicher, eingebildeter, moralischer oder ideologischer Weise negiert ist, sondern, wie Karl Marx betont, faktisch. Und in eben diesem materialistischen Sinne, ausgehend von dieser materialistisch begriffenen Stellung und dialektischen Bewegung des Proletariats, seiner Widerspruchsbewegung gegen die Bourgeoisie hin kann Marx von der Philosophie fordern, dass sie im Proletariat ihre materiellen Waffen findet, dass das Proletariat sich nicht „aufheben“ kann, dass es seine Existenzgrundlage als ausgebeutete und unterdrückte Arbeiterklasse der bürgerlichen Ordnung nicht umwälzen kann, ohne die Philosophie zu verwirklichen: Den revolutionären Gedanken zur praktisch-gegenständlichen Tat zu machen.

Die Betonung der frühen Keime des Materialismus im Marxschen Denken und sein unauflöslicher Zusammenhang mit der Herausbildung der Theorie der sozialistischen Revolution geschah auch mit dem Blick auf den folgenden Sachverhalt: Die Versuche der spätbürgerlichen und revisionistischen Marxfälschung, den Materialismus aus der Philosophie der Arbeiterklasse auszumerzen, konzentrierten sich nach wie vor auf die Texte der Genesis der neuen Weltanschauung. Dass jeder Versuch, den Materialismus aus der Phase der Herausbildung des Marxismus auszuschalten oder als nebengeordnet abzutun, nur als Verfälschung der wirklichen theoretischen Zusammenhänge durchführbar ist, mögen die Hinweise schon auf die eben behandelten wenigen Schlüsseltexte der Marxschen Frühentwicklung deutlich gemacht haben. Und was für die „Einleitung“ gilt, gilt für Marx’ Aufsatz „Zur Judenfrage“ [6/55] und für die erste umfassende Entwicklung der neu gewonnenen philosophischen Resulte, die „Ökonomisch-philosophischen Manuskripte“. Die „Einleitung“ enthält, dies sollte gezeigt werden, eine erste weltanschauliche und kommunistisch-parteiliche Programmerklärung von Marx’ künftiger theoretischer Arbeit.

Die Knotenpunkte der auf die „Einleitung“ folgenden Entwicklung und Vertiefung des Zusammenhangs zwischen Materialismus und Revolutionstheorie bis zum „Manifest der Kommunistischen Partei“ seien hier nur mehr in wenigen Momenten skizziert. [7/56]«

Anmerkungen

1/50 Karl Marx, Zur Kritik der Hegelschen Rechtsphilosophie, S. 389. (Hervorhebung von O. F.)

2/51 »Marx hatte vor dieser Feststellung geklärt, dass nur im Namen der allgemeinen Rechte der Gesellschaft eine besondere Klasse sich die Herrschaft aneignen könne.«

3/52 K. Marx, Zur Kritik der Hegelschen Rechtsphilosophie, S. 388.

4/53 Ebenda, S. 390.

5/54 Ebenda, S. 390f.

6/55 »Marx schrieb die Arbeit „Zur Judenfrage“ kurz vor der „Einleitung“. Die materialistische Grundposition, von der auch hier das Thema der Revolution entwickelt wird, ist unübersehbar. Und zwar wird hier ähnlich wie in der „Einleitung“ der Materialismus zunächst auf die Klärung des Verhältnisses zwischen Religion und gesellschaftlicher Realität ausgedehnt, um allerdings sogleich von der Religions- und Ideologiekritik zur revolutionären Sozialkritik auf proletarischer Stufe fortzugehen. Die nachfolgende Stelle, worin die sozialistische Revolution in der Formel der menschlichen Emanzipation verkündet wird, ist charakteristisch für diesen das ganze Marxsche Werk durchdringenden Entwicklungsprozess von allgemeinsten materialistischen Aussagen – hier über die Bedingtheit von Religion durch weltliche Zustände – bis zu konkreten, politisch-revolutionären Einsichten und Forderungen – hier die Notwendigkeit der nicht mehr bürgerlich beschränkten und insofern nur politische Emanzipation betreffend –.

Die Religion gilt uns nicht mehr als der Grund, sondern nur noch als das Phänomen der weltlichen Beschränktheit…. Wir verwandeln nicht die weltlichen Fragen in theologische. Wir verwandeln die theologischen Fragen in weltliche. Nachdem die Geschichte lange genug in Aberglauben aufgelöst worden ist, lösen wir den Aberglauben in Geschichte auf. Die Frage von dem Verhältnisse der politischen Emanzipation zur Religion wird für uns die Frage von dem Verhältnis der politischen Emanzipation zur menschlichen Emanzipation.“ (Karl Marx, Zur Judenfrage, in: Karl Marx/Friedrich Engels, Werke, Bd. 1, S. 352).«

7/56 »Eine ausführlichere Untersuchung über Materialismus als die fortschreitende philosophische Grundlinie des gesamten Prozesses der Herausbildung des Marxismus, speziell sofern in ihm sozialistische Ideologie formiert wird, haben wir in der Studie „Sozialistische Ideologie. Ihre Grundlegung im Marxschen und Leninschen Materialismus“ (Berlin 1970) gegeben. Vgl. hierin die Kapitel 4-6.«

Quelle: Philosophie der Revolution. VEB Deutscher Verlag der Wissenschaften, Berlin 1975. Studie zur Herausbildung der marxistisch-leninistischen Theorie der Revolution als materialistisch-dialektischer Entwicklungstheorie und zur Kritik gegenrevolutionärer Ideologien der Gegenwart. Autor: Otto Finger. Vgl.: 3.8. Die Marxsche Entdeckung der welthistorischen Mission des Proletariats, in: 3. Kapitel: Philosophischer Materialismus und Herausbildung der wissenschaftlichen Revolutionstheorie der Arbeiterklasse.

06.04.2012, Reinhold Schramm (Bereitstellung)

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