Sahra Wagenknecht – von V. I. Lenin zu Ludwig Erhard – Porträt einer revisionistischen Musterkarriere
Sahra Wagenknecht hat es geschafft. Einst als „Betonstalinistin“ gescholten, wird ihre bürgerliche Wirtschaftskompetenz in der Journaille von Spiegel und FAZ nun gewürdigt. Dennoch kleidet sie sich immer noch mit einer Art mystischen Aura als die Linke unter den Linken. Wir gehen diesen Mythen auf den Grund.
Beteiligung an den Weißenseer Blättern
Als die Konterrevolution am 09.11.1989 in der DDR ihr Haupt erhob, wurde deutlich wie kopflos die SED agierte. Die seit Jahrzehnten andauernde, schleichende Durchsetzung durch revisionistische Kräfte, führte im November 1989 nach einem langen widersprüchlichen Prozess zum vollständigen ideologischen Kollaps der SED. Die entscheidenden Positionen wurden von revisionistischen, konterrevolutionären Kräften, wie Schabowski oder Krenz, besetzt. Die verbliebenen, revolutionären Genossinnen und Genossen befanden sich gegen diese zahlenmäßig in der Minderheit. Entgegen der gängigen BRD-Geschichtsverfälschung stand an jenem 9. November nicht das Volk gegen seine Führung auf. Richtiger ist vielmehr, dass jene Demonstranten im gleichen revisionistischen Sumpf steckten, wie die revisionistische Führung der SED selbst.
Klar zu erkennen an der Abschaltung des Schwarzen Kanals mit Karl-Eduard von Schnitzler am 30.10.1989, dessen unmissverständliche, revolutionäre Positionen der revisionistischen Führung nun ein Dorn im Auge waren. Noch deutlicher wird dies an der Aktuellen Kamera vom 8. November 1989. In dieser denkwürdigen Ausgabe, durfte Christa Wolf, bereits einen Tag vor dem „Mauerfall“ die Konterrevolution mitten im Fernsehen der DDR verkünden! Christa Wolf formulierte in den Hauptnachrichten des DDR-Fernsehens einen Appell für die Vision eines „demokratischen Sozialismus“[i].
Millionen SED Mitglieder verließen ihre Partei, die fortschrittlichsten Kräfte, wie der Genosse Erich Mielke, wurde aus der Partei geworfen. Nach Gregor Gysis Putsch nahm sie treffenderweise einen offen konterrevolutionären und revisionistischen Namen an:
PDS, Partei des demokratischen Sozialismus.
Die verbliebenen revolutionären Genossinnen und Genossen, die es bereits damals in der PDS kaum aushalten konnten und ähnlich wie bei der Abschaltung des Schwarzen Kanals ihrer Stimme beraubt wurden, formierten sich neu. Sie publizierten von nun an ihre marxistisch-leninistischen Artikel in den Weißenseer Blättern. Kurt Gossweiler skizzierte sie wie folgt:
>>Aber in der dunkelsten Zeit nach der sogenannten „Wende“ hat sich die Dialektik des Geschichtsganges damit bestätigt, dass selbst diese bösesten Ereignisse auch Gutes hervorbrachten: sie führten Menschen zusammen, die – ohne es zu wissen – schon lange zusammengehörten, und die ohne diese bösen Ereignisse sich wohl nie begegnet wären: Ich meine damit einmal die Zusammenführung von Kommunisten wie„Kled“, also Karl-Eduard von Schnitzler und Martha Raffael, Heinz und Ruth Keßler, Ulrich Huar, Hermann Leihkauf, mich u.a.,- mit Theologen, wie Hanfried Müller und Rosemarie Müller-Streisand, Pfarrerin Renate Schönfeld und anderen.
Zum Zweiten das Zusammenfinden von parteigebundenen und parteilosen Kommunisten der DDR mit ebensolchen Kommunisten der BRD, sowohl der älteren wie der jüngeren Generation.
Doch zunächst, wie es bei mir zum Kontakt zu Theologen kam, die zu meiner großen Überraschung in sogenannten weltlichen Fragen ihren Marx und Engels besser kannten als mancher Genosse, und die vor allem auch als Marxisten gegen die neuen Herren klar und kompromislos Stellung nahmen, während nicht wenige meiner früheren Kollegen und Genossen zu Anpassern und Wendehälsen mutierten.
(…)
Und ausgerechnet diese Zeitschrift, hinter deren Namen zu lesen war: „Herausgegeben im Auftrag des Weissenseer Arbeitskreises (kirchliche Bruderschaft in Berlin-Brandenburg)“ wurde nun nicht nur für mich, sondern auch für solche von den Feinden der DDR seit eh und je mit wütendem Hass verfolgten, aber nun jeder Publikationsmöglichkeit beraubten Kämpfern gegen den BRD-Imperialismus, wie KledSchnitzler, zu ihremeinzigen, auf Jahre hinaus auf jeden Fall wichtigsten Publikationsorgan. Wer hätte sich zu DDR-Zeiten eine solche Kombination vorstellen können![ii]<<
In den Weißenseer publizierte auch Sahra Wagenknecht marxistische-leninistische Artikel, von denen sie sich heute distanziert. Dabei sind diese jedoch äußerst beachtlich und von analytischer Schärfe geprägt, aber auch geradezu lehrbuchhaft für ihr eigenes späteres Handeln:
>>Soll aus dem Zusammenbruch des ersten sozialistischen Weltsystems das Scheitern der marxistisch-leninistischen Theorie und des entsprechenden “Sozialismusmodells” abzuleiten sein, dann muß von einer Kontinuität in der Geschichte des vergangenen Sozialismus ausgegangen werden. Nur unter dieser Prämisse hätten die Ereignisse der Jahre 1989/90 auch die Leninsche Lehre (die Kommunistische Parteitheorie, Revolutionstheorie etc.) widerlegt. Die “Stalinismus”-These zielt bekanntlich auf eine solche Kontinuität und leitet daraus die Notwendigkeit einer ideologischen1 Umorientierung auf sozialdemokratische (“moderne” genannt) Denkmuster ab. Diese Folgerung ist logisch schlüssig, sofern die genannte Prämisse sich nicht widerlegen läßt. Dann hätte Kautsky in der Tat post festum über Lenin gesiegt; die Bernstein- Linie erwiese sich gegenüber der kommunistischen als die Überlegene.
Mißtrauisch gegen eine solche Annahme stimmt es, daß sämtliche Gegenentwürfe zur Leninschen Konzeption sich eigentlich bereits in den Jahren 1917 bis 1920 als nicht besonders zweckdienlich erwiesen hatten. Die Bernsteinschen Ideen wurden praktiziert – und widerlegt – in der Politik des 4. August und in der Politik der Scheidemann und Noske während und nach der Novemberevolution. (Diese Widerlegung betraf die Grundsätze Kautskys und seiner Anhängerschaft gleich mit: denn sie unterschieden sich ja nur in d er Terminologie, nicht aber in der Tat von denen der Rechtsopportunisten, wie die Jahre 1918-1920 und die gesamte weitere Entwicklung der deutschen Sozialdemokratie beweisen.)[iii]<<
Sahra Wagenknecht heute
Wie Hohn wirkt es, wenn man Sahra Wagenknechts marxistisch-leninistische Bildung, die sie in ihren Artikel für die Weißenseer Blätter an den Tag legte, mit dem vergleicht, was sie heute publiziert und öffentlich von sich gibt. Richtig stellte sie in den Weißenseer Blättern fest, dass sich alle Sozialismuskonzeptionen, die von Lenin abwichen bereits selbst in der Praxis widerlegt haben. Wie sind unter diesem Gesichtspunkt dann Wagenknechts eigene, neu überdachte Positionen zu bewerten?
Wagenknecht selbst warb mit dem Sozialismus auf Basis des Grundgesetzes[iv]. Das heißt mit jenem Grundgesetz, welches das kapitalistische Eigentum schützt. Da passen ihre leidenschaftlichen Appelle für höhere Steuern für „die Reichen“ wie die Faust aufs Auge, solange die wesentliche Eigentumsfrage sich von selbst erledigen soll. Wenn das mal nicht schwer nach Bernsteins und Kautskys gemütlichem Spaziergang zum Sozialismus riecht!
In einem Interview zur Bundestagswahl 2013 umwarb sie die SPD. Gerne würde sie mit ihr zusammenarbeiten, wenn sie wieder zur Linie von August Bebel bis Willy Brandt zurückfände[v]. Sollte die SPD tatsächlich zu August Bebel zurückfinden, könnten wir uns auch eine Zusammenarbeit mir ihr vorstellen. Offenbar hat Frau Wagenknecht allerdings vergessen, wie sich die SPD nach Bebel bis Brandt entwickelt hat, die von ihr selbst kritisierten Scheidemänner und Noskes eingeschlossen, in deren Fußstapfen auch Willy Brandt trat. Schließlich war er als Bürgermeister von Westberlin, Besucher von Revanchisten-Treffen, Architekt des Radikalenerlass und vielem mehr ein antikommunistisches Bollwerk.
Aber Sahra Wagenknechts unerklärliche Amnesie geht noch weiter. Obwohl sie offensichtlich Marx länger als 10 Minuten gelesen hat, ist ihr plötzlich nicht mehr bekannt, dass der Kapitalismus zyklische Krisen hat. In einer Bundestagsrede wirft sie den herrschenden Parteien Inkompetenz bei der Bewältigung der sogenannten griechischen Schuldenkrise vor. Uns als Kommunisten liegt es natürlich fern, die herrschenden Klasse vor dem Vorwurf der Dummheit und Ignoranz in Schutz zu nehmen. Dennoch scheinen Wagenknecht die marxistisch-leninistischen Grundlagen über die Krisenzyklen und ungleichmäßige Entwicklung der Nationen im Zeitalter des Imperialismus unerklärlicherweise nicht mehr bekannt zu sein. Anders ist es jedenfalls nicht zu erklären, dass sie der Bundesregierung vorwirft, dass imperialistische Bündnisse wie der IWF es besser machen würden[vi]. Überhaupt erweckt Wagenknecht nur zu oft den Eindruck, dass gierige oder dumme Entscheidungsträger unfähig seien, kluge Entscheidungen treffen. Der Zwang zur Akkumulation und Expansion bei Strafe des eigenen Untergangs scheint ihr ebenso „entflogen“ zu sein.
Bereits damit begibt sie sich auf das flache Niveau des Reformismus, der die schlimmsten Auswüchse des kapitalistischen Systems beheben will, aber an der Eigentumsordnung an sich nichts ändern will. Krönung ihrer neuen Entwicklung war dann die herzlichste Umarmung mit dem Verräter Michael Gorbatschow[vii].
Insgesamt lässt sich konstatieren: Wagenknecht hat den Weg Kautskys konsequent nachgeahmt.
Die gefährliche Ehe zwischen Wagenknecht und Erhard
Ekelhaft wird es aber, wenn sie ausgerechnet Ludwig Erhard unter linker Fahne huldigt. Im derzeitigen Bundeswahlkampf spricht sie gerne von Roten Karten oder Haltelinien. Wie ist aber dann ihre seltsame Ehe mit Ludwig Erhard zu quittieren? Ihr Gedächtnisverlust bezüglich der marxistisch-leninistischen Wissenschaft ist uns bereits hinreichend bekannt. Aber wie ist es dann zu erklären, dass ihr trotz eines nach wie vor bekennenden junge Welt Abos[viii], nichts von Ludwig Erhards Rolle zur Zeit des Faschismus bekannt ist? Sofern es ihr nicht aus der DDR noch im Gedächtnis geblieben ist, so hätte sie doch spätestens erneut aus der jungen Welt erfahren können.
>>Erhard hatte damals von Nürnberg aus eine sechsjährige Karriere im Dienste der Entjudung Großdeutschlands und seiner umliegenden Gebiete hinter sich. Er war für Reichskommissar Josef Bürckel tätig, einem der radikalsten Antisemiten des Nazistaates. 1938 setzte Bürckel den 41jährigen Ludwig Erhard für die Evaluierung des gesamten Rationalisierungs- und Einverleibungsprozesses des frischangeschlossenen Österreich ein.
(…)
Erhard fürchtete, daß es zu einem anderen Staat kommen könnte, als den, der 1944 in Deutschland bestand. Er warnte: »In letzter Konsequenz gipfeln solche Überlegungen in der Forderung nach einer Sozialisierung der Produktionsmittel, nach einer Vermögensabgabe also, die für die Zukunft dem Staat nicht nur die wirtschaftslenkende, sondern auch die unmittelbar unternehmerische Funktion zuweist.«
(…)
»Was Sie wollen«, sagte Weiss dem Besucher, »ist eine großräumige Wirtschaftsordnung mit freien Märkten und einer privaten Eigentumsgarantie.«
Er machte dem Besucher einen Vorschlag zur Güte: »Ob Sie das nun aber eine demokratische Marktwirtschaft nennen oder als eine Soziale Marktwirtschaft bezeichnen, worin Ohlendorf einen Anklang an seine nationalsozialistischen Vorstellungswelten erblicken würde, kann doch nicht so wesentlich sein.«
Das war’s.
Erhard: »Was haben Sie da gesagt? – ›Soziale Marktwirtschaft‹ –, das ist ein Begriff, der mir gefällt. Wenn Sie noch ein Glas von Ihrem Burgunder haben, dann wollen wir darauf anstoßen«.[ix]<<
Und für diesen Testamentsvollstrecker der Nazis und dessen gegen jegliche „Sozialisierung“ gerichteten Wirtschaftskonzepte wirbt Sahra Wagenknecht heißen Blutes! Sie wolle ihn zu Ende denken, er sei in der Linkspartei gut aufgehoben[x]. Wir fragen uns, was sie an Erhard zu Ende denken will. Seinen Antikommunismus? Es ist kaum zu glauben aber wahr: In der Linkspartei, die sich als antifaschistisch betrachtet, erregt es keinerlei Aufsehen, wenn für diesen Testamentsvollstrecker der Nazis offen geworben wird. Verteidigung der legitimen Grenzsicherung der DDR gegen Angriffe des deutschen Imperialismus hingegen führen zur parteiinternen Isolation oder zu Boykottaufrufen.
Sahra Wagenknecht spielt eine perfide Rolle. Zwar ist ihre Wandlung zum seichten Sozialdemokratismus offensichtlich, aber sie nutzt ihr „kommunistisches Image“ nach wie vor um diese sozialdemokratische Partei erheblich aufzuwerten und einen schönen Schein zu bewahren. Sie spielt die Radikale unter den Linken, u. a. durch ihr Bekenntnis zur jungen Welt, die zumindest teilweise noch ihrem Anspruch als marxistische Tageszeitung noch gerecht wird, aber auch erhebliche Mängel aufweist. Wagenknecht hat hingegen längst die BRD-Geburtslüge von der sozialen Marktwirtschaft wider besseren Wissens geschluckt um Karriere machen zu können.
Die Kommunistische Initiative in Deuschland
[i]http://www.youtube.com/watch?v=BIrJ0z4kinM#t=12m3s
http://www.youtube.com/watch?v=BIrJ0z4kinM#t=12m3s
[ii]http://www.offen-siv.net/2008/08-03_Januar-Februar.shtml
[iii]http://www.glasnost.de/pol/wagen.htmlhttp://www.glasnost.de/pol/wagen.html
[iv]http://www.welt.de/welt_print/article2003982/Sahra-Wagenknecht-gibt-auf.html
[v]http://www.youtube.com/watch?v=St3YmKACNag#t=2m8s
[vi]http://www.jarass.com/home/index.php/DE/component/content/article/197-publikationen-weiterfuehrende-beitraege/steuern/buecher/1178-schuldenschnitt-statt-neuer-schulden
[vii]http://www.bild.de/politik/inland/sahra-wagenknecht/begegnung-mit-gorbatschow-21204748.bild.html
[viii]http://www.fr-online.de/politik/interview-sahra-wagenknecht-ich-finde-kumpel-politiker-peinlich,1472596,10411836.html
[ix]http://www.jungewelt.de/2009/09-19/023.php
[x]http://www.sahra-wagenknecht.de/de/article/987.ich-will-ludwig-erhard-zu-ende-denken.html