Eine europäische Geschichte von Ausbeutung und Blutzoll
Die Familie Quandt ist eine der reichsten Familien Deutschlands. Sie kontrolliert Konzerne wie BMW und Altana. Das “Manager-Magazin” taxiert das Vermögen auf 17,7 Milliarden Euro, aber vermutlich sind es mehr als 20 Milliarden Euro. Der Kern des Vermögens macht die Kontrollmehrheit beim BMW-Konzern. Die Liste weiterer Unternehmen, an denen Familienmitglieder beteiligt sind oder waren: AFA, Altana, Byk Gulden, Contrans, Carl Schenk, Ceag, Delton, Daimler-Benz, Datacorp, Deutsche Waffen- und Munitionsfabriken, Feri, Gemplus, Heel, Industriewerke Karlsruhe-Augsburg, Mauser-Werke, Medima, Milupa, Mouson, Nordex, Pertrix-Werke, SGL Carbon, Thiel, Van Laack, Varta, Wintershall.
Ende der zwanziger Jahre hatte Günther Quandt die Berlin-Karlsruher Industriewerke übernommen. 1936 nahm dieser Konzern seinen alten Namen Deutsche Waffen- und Munitionsfabriken (DWM) wieder an. Quandt und seine Administration lieferten der Wehrmacht Munition, Gewehre und Geschütze, sie statteten Panzer des Heeres und Kampfflugzeuge der Luftwaffe mit Batterien aus. 1937 erhielt Günther Quandt den Titel “Wehrwirtschaftsführer”.
Während des Krieges liefen die Quandt-Unternehmen auf Hochtouren. Sie zählten zu den größten Nutznießern der Zwangsarbeit. Zehntausende Deportierte wurden gezwungen, in den Fabriken zu schuften. Auf dem Gelände des AFA-Werks in Hannover-Stöcken errichteten Häftlinge 1943 unter Aufsicht der SS ein Konzentrationslager. Es lag in Nachbarschaft zur Fabrik. Bis zu 1.500 Menschen mussten tagsüber in der Fabrik arbeiten und waren nachts im Konzentrationslager eingesperrt. Die Firma zahlte für die Sklavenarbeit der Arbeitskräfte an die SS.
Die Arbeitsbedingungen für die Arbeitskräfte waren barbarisch. Auf dem Friedhof in Seelhorst wurden bis Kriegsende 403 Häftlinge beerdigt. Der Blutzoll war aber höher, denn die Kranken und Arbeitsunfähigen wurden in das KZ-Stammlager Neuengamme bei Hamburg zurückgebracht, wo sie meist starben.
Zugleich saßen Günther Quandt und sein Sohn Herbert in Berlin in der Firmenzentrale am Askanischen Platz und organisierten die industrielle Expansion. Später beklagte Günther Quandt “ein erhebliches Maß an Mehrarbeit, schon in administrativer Hinsicht”. Herbert Quandt bekannte seinem Biografen: “Ich glaube, dass ich gerade in diesen schwersten Jahren, industriell gesehen, auf diese Weise von meinem Vater mehr habe lernen können, als es sonst unter anderen, also normalen Umständen möglich gewesen wäre.”
Quelle: Handelsblatt – am 18.12.2010. Deutsche Wirtschaftsgeschichte:
“Die Quandts – Reichtum mit schwerem Erbe”.
http://www.handelsblatt.com/unternehmer-dynastie-die-quandts-reichtum-mit-schwerem-erbe;2714862
13.02.2011, Reinhold Schramm