Die VVN-BdA NRW trauert um ihren Ehrenvorsitzenden Jupp Angenfort

Er war einer der letzten überlebenden Mitglieder des Nationalkomitees Freies Deutschland und der Führung der KPD

Als Vorsitzender der FDJ Westdeutschlands wurde er für viele Jahre in der Adenauer-Ära eingesperrt. In den letzten beiden Jahrzehnten war Jupp Angenfort in der Leitung der Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes – Bund der Antifaschisten tätig.

Aus seinem Leben

März 1953: In Duisburg wird ein Landtagsabgeordneter in ein Auto gezerrt und verschleppt. Seine Verfolger sind Karlsruher Staatsanwälte. Sie stecken ihn mehr als fünf Jahre ins Zuchthaus. Zwar werden ihm keine Verbrechen oder Vergehen nachgewiesen. Die Behauptung genügte, er wolle „Hochverrat“ begehen und ein „bolschewistisches Gewaltregime“ errichten. Aus dem Krieg war der junge Düsseldorfer Katholik Josef Angenfort mit dem Schwur „Nie wieder Krieg und Faschismus“ heimgekehrt. Er wurde Bundesvorsitzender der FDJ und KPD- Politiker. Und prominentestes Opfer der heute aus dem öffentlichen Bewusstsein verdrängten bundesdeutschen politischen Justiz des Kalten Krieges. Zehntausend aus FDJ und KPD und andere Linke wurden für ihre Gesinnung, ihr Eintreten für die Friedensbewegung und die Wiedervereinigung eingesperrt. Jupp, wie ihn seine Freunde und Genossen nennen, schildert auf einer DVD der VVN-BdA seinen Weg vom Kriegsgefangenen, der fürchtete, von den Sowjets erschossen zu werden, zum antifaschistischen Aufklärer unter deutschen Soldaten. Zum Mitglied des „Nationalkomitees Freies Deutschland“. Er schildert seinen Fluchtweg aus der Haft in München-Stadelheim, seine Rückkehr nach Düsseldorf, erneute Haft und Freilassung nach der Kampagne: „Jagt die braunen Richter fort – Freiheit für Jupp Angenfort“. Bis heute ist er dabei geblieben – in der Friedensarbeit und in seiner VVN. Dies ist der ungewöhnliche Bericht eines Zeitzeugen, der den Jüngeren viel zu sagen hat und die Erinnerung der Älteren bereichert – der Bericht über eine Vergangenheit, die fast vergessen ist.

Hier die Stationen seines Lebens (aus dem Booklet zur DVD „Josef genannt Jupp“):

Jupp Angenfort

  • DVD „Josef  genannt Jupp“Geboren am 9. Januar 1924 in Düsseldorf als Sohn einer Eisenbahnerfamilie, er hat vier Geschwister.
  • Schulzeit und Abitur in Düsseldorf, Mitglied der Katholischen Pfadfinder.
  • Im Sommer 1942 zur Wehrmacht eingezogen und 1943 in sowjetische Kriegsgefangenschaft geraten. Begegnung mit jüdischen Sowjetsoldaten und kommunistischen Antifaschisten.
  • Dezember 1943 Mitglied des Nationalkomitees Freies Deutschland. Antifaschistische Aufklärung unter deutschen Kriegsgefangenen.
  • Im März 1949 Rückkehr aus der Gefangenschaft, seit 1950 Mitglied der Kommunistischen Partei (KPD), der Gewerkschaft Handel Banken Versicherungen (HBV im DGB) und der Freien Deutschen Jugend (FDJ).
  • Ab 1951 Mitglied des Landtags von Nordrhein-Westfalen, Wahl zum Bundesvorsitzenden der FDJ.
  • 26. Juni 1951: Die gegen die Wiederbewaffnung Deutschlands Widerstand leistende FDJ wird verboten. Die FDJ war im Londoner Exil von jungen Antifaschisten gegründet worden. Im Verbotsurteil heißt es: Sie sei „eine Vereinigung, deren Tätigkeit auf die Begehung strafbarer Handlungen, insbesondere auf die Durchführung von Mal- und Klebeaktionen, von verbotenen Demonstrationen und die Herausgabe und Verteilung illegalen, die Staatsorgane beleidigenden Schrifttums gerichtet ist.“
  • 12. März 1953: In Duisburg wird Jupp Angenfort auf offener Straße unter Bruch der Immunität als Landtagsabgeordneter festgenommen und „dringend verdächtig“: „Ein bestimmtes hochverräterisches Unternehmen gegen die verfassungsmäßige Ordnung (§ 80 Abs. 1 Nr. 1) vorbereitet zu haben; als Rädelsführer einer Vereinigung angehört zu haben, deren Verfassung oder Zweck oder deren Tätigkeit sich gegen die verfassungsmäßige Ordnung richten“. Dem Festgenommenen wird „Zusammenwirken mit den Machthabern der sowjetischen Besatzungszone Deutschlands“ vorgeworfen, um „ein Gewaltsystem bolschewistischer Prägung vorzubereiten.“
  • 3. März 1954: In der „Süddeutschen Zeitung“ heißt es: „Die meisten jener Hochverratsprozesse gegen verhaftete Kommunisten (so gegen Angenfort) stehen auf ausgesprochen schwachen Füßen. Die Anklagepunkte sind rasch aufgezählt; es sind im wesentlichen zwei: erstens Agitation gegen die ‚Remilitarisierung’ (…) zweitens Werbung für die Wiedervereinigung Deutschlands.“
  • Am 4. Juni 1955 wird er wegen „Vorbereitung eines hochverräterischen Unternehmens“ und „Vergehens der Zersetzung“ zu fünf Jahren Zuchthaus verurteilt. Wegen „Uneinsichtigkeit“ des Angeklagten werden sechs Monate der erlittenen Untersuchungshaft nicht anerkannt.
  • 1955/56: In den Haushaltsdebatten des Bundestages erklärt der parlamentarische Geschäftsführer Dr. Menzel (SPD): „Ist dieses Strafmaß überhaupt haltbar? Vergleicht man dieses harte Urteil mit den milden Urteilen gegen Kopfjäger aus den hitlerschen KZ’s, gegen viehische Mörder, die nachträglich noch begnadigt wurden, dann ist man empört darüber, dass Menschen vor dem Richterstuhl so verschieden behandelt werden. Wir sind in Westdeutschland wieder so weit, dass alle Gegner des Bundeskanzlers als Bolschewisten oder des Hochverrats angeklagt werden.“ Der Staatsrechtler Prof. Dr. Wolfgang Abendroth hebt bei einer Gesamtwürdigung des Urteils gegen Angenfort hervor, dass nach Ansicht des Gerichts „im Massenstreik auch eine Gewaltmassnahme im Sinne des Hochverratsparagraphen vorliege.“ Im Urteil gegen Angenfort sei der 6. Senat „dann auch konsequenterweise im Strafmass weit über das hinausgegangen, was er sich bisher geleistet hat: 5 Jahre Zuchthaus sind eine Strafe, die für das gleiche Delikt noch in den ersten Jahren des Dritten Reiches gar nicht hätte verhängt werden können, weil drei Jahre Zuchthaus die Höchststrafe für die Vorbereitung eines hochverräterischen Unternehmens war.“
  • August 1956: Die KPD wird auf Antrag der CDU-Regierung vom Bundesverfassungsgericht verboten.
  • April 1957: Entlassung Jupp Angenforts aus dem Zuchthaus Münster.
  • 1957 bis 1962: Mitglied des Politbüros der verbotenen KPD. Untergetaucht.
  • 18. September 1961: Musterurteil des Bundesgerichtshofes gegen linke Vereinigungen mit folgender Definition der kommunistischen Ersatzorganisation: „Eine Ersatzorganisation ist ein Personenzusammenschluß, der anstelle der aufgelösten Partei deren verfassungsfeindliche Nah-, Teil- oder Endziele ganz oder teilweise, kürzere oder längere Zeit, örtlich oder überörtlich, offen oder verhüllt weiterverfolgt oder weiterverfolgen will.“ Damit ist auch die antifaschistische und Friedensbewegung kriminalisiert. Über 10.000 Bundesbürgerinnen und Bundesbürger werden von 1951 bis 1968 wegen angeblicher Verstöße gegen das FDJ- oder KPD-Verbot ins Gefängnis gesperrt.
  • 28. Februar 1962: Wieder verhaftet. Verbüßung der Reststrafe und neue Untersuchungshaft.
  • 4. April 1962: Flucht aus der Haft in München-Stadelheim.
  • 29. November 1962: Verbotsprozeß gegen die Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes (VVN). Antifaschistische Prozessbeobachter im Zuschauerraum protestieren lautstark und mit Dokumenten gegen die Zusammensetzung des höchsten Verwaltungsgerichts, dessen Präsident schon als Nazijurist tätig war. Der Prozeß wird unterbrochen und nie wieder fortgesetzt.
  • Dezember 1968: Rückkehr nach Düsseldorf. Mitarbeit in der Deutschen Kommunistischen Partei.
  • 21. März 1969: Verhaftung. Beginn der Aktion der DKP, der SDAJ und der VVN: „Jagt die braunen Richter fort – Freiheit für Jupp Angenfort.“
  • 23. April 1969: Freilassung aus dem Zuchthaus Remscheid-Lüttringhausen.
  • Von 1969 bis 1989 Mitglied des Präsidiums der DKP, Leiter der Abteilungen für Bundes-, Landes- und Kommunalpolitik des DKP-Parteivorstandes.
  • Ab 1988:Landesvorsitzender der Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes / Bund der Antifaschisten in Nordrhein-Westfalen. Mitglied der Leitung der VVN-BdA auf Bundesebene.
  • Ab 2002: Landessprecher der VVN-BdA in Nordrhein-Westfalen.
  • Ab 2008 Ehrenvorsitzender der VVN-BdA NRW.

Am Samstag, dem 13. März 2010 um 2 Uhr morgens ist Jupp Angenfort in Düsseldorf verstorben.

Quelle: http://www.nrw.vvn-bda.de/texte/0621_jupp.htm

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