Deutschland: Altenpflege und Menschenwürde nur für Reiche?
Die Zahl der Pflegebedürftigen in Deutschland wird sich bis zum Jahr 2030 um 50% erhöhen. In Deutschland leben heute rund 1,1 Mio. Menschen, die an Demenz erkrankt sind. Bis zum Jahr 2030 wird sich diese Zahl voraussichtlich auf ca. 1,7 Mio. erhöhen – um mehr als 50%.
Die Zahl der Pflegebedürftigen in Deutschland lag im Jahr 2007 bei 2,03 Mio. und 2010 bei 2,13 Mio. Menschen; voraussichtlich im Jahr 2020 bei 2,64 Mio. und im Jahr 2030 bei 3,09 Mio. Menschen.
Zukünftig wird eine immer kleiner werdende Gruppe die Finanzierung der Sozialleistungssysteme in Deutschland tragen müssen. Zugleich sinkt die Zahl der Familienangehörigen, die in der Lage sein werden, pflegerische Tätigkeiten auszuführen. Einer größeren Zahl von Pflegebedürftigen steht künftig eine geringere Anzahl von Beitragszahlern gegenüber und eine rückläufige Anzahl von Pflegepersonen muss sich um eine wachsende Gruppe von Pflegebedürftigen kümmern.
Das Konzept der deutschen Pflegeversicherung war stets nur die teilweise Absicherung des Risikos der Pflegebedürftigkeit. Der Gesetzgeber lies sich nur von einer verhältnismäßig engen Fassung der Pflegeversicherung leiten, sowohl im Hinblick auf die Leistungen, die gesetzlich „gedeckelt“ wurden, als auch im Hinblick auf die Anspruchsberechtigten.
Einer Durchschnittsrentnerin bzw. einem Durchschnittsrentner ist die volle Finanzierung eines Pflegeheimplatzes kaum möglich. Eine hohe Zahl von Pflegebedürftigen in Deutschland ist auf zusätzliche staatliche Sozialhilfeleistungen angewiesen, wenn eine Aufnahme in ein Pflegeheim erforderlich wird.
Nach Inkrafttreten der Pflegeversicherung sank der Prozentsatz der auf staatliche Sozialhilfeleistungen angewiesenen Personen auf etwa 20%; aufgrund der Kostenentwicklung bei den Pflegeheimen ist dieser Prozentsatz in den letzten Jahren deutlich angestiegen.
Trotz der vorhandenen Anreize für eine häusliche Versorgung ist die Zahl der stationären Pflegeeinrichtungen von 8.859 im Jahr 1999 auf 11.029 bis Ende 2007 angewachsen, – um rund 25%. Die Zahl der ambulanten Pflegeeinrichtungen ist demgegenüber relativ geringfügig gewachsen, nämlich von 10.820 (1999) auf 11.529 (2007), also nur um etwa 6,5%.
Die Zahl der Beschäftigten in Pflegeeinrichtungen ist im Jahr 1999 von 624.722 auf 809.707 im Jahr 2007 angewachsen.
Gleichzeitig ist die Zahl der rentenversicherungspflichtigen pflegenden Angehörigen von 574.000 (1999) auf 440.000 (2006) zurückgegangen. [1]
Zur dramatischen Situation in der Altenpflege in Deutschland:
Auch in der Altenpflege, egal ob im stationären oder ambulanten Bereich, wird auf Kosten der Gesundheit, Arbeitszufriedenheit und der Einkommenssituation der Beschäftigten wie aber auch auf Kosten der zu betreuenden und zu pflegenden Menschen, „gespart“.
Nur durch hohes Engagement der Beschäftigten wird eine menschenwürdige Pflege gewährleistet!
Das schwer durchschaubare Pflegesystem in Deutschland ist ein Milliardengeschäft. Die Träger und Betreiber von Pflegeeinrichtungen stehen in einem gegenseitigen Konkurrenzkampf auf Kosten der Beschäftigten und Pflegebedürftigen. Mit Dumpinglöhnen werden tarifliche Regelungen zunehmend ausgehebelt. Private und kirchliche Träger orientieren sich nicht mehr an tariflichen Regelungen des öffentlichen Dienstes, aber auch Einrichtungen der Wohlfahrtsverbände wie AWO und DRK versuchen unterhalb dieses Niveaus zu bleiben. [2]
Frage: Was ist einer Gesellschaft die menschenwürdige Behandlung ihrer Pflegebedürftigen wert?
Ein Quellenauszug, siehe: [1] Altenpflege und Pflegeversicherung, Modelle und Beispiele aus China, Deutschland und Japan. Hrsg.: Susanne Langsdorf, Rudolf Traub-Merz und Chun Ding.
http://library.fes.de/pdf-files/bueros/china/07818.pdf
[2] Verdi: Altenpflege in Bewegung …
http:// rhein-wupper.verdi.de/fb/gesundheit-soziales/altenpflege
Empfehlung: Lohndifferenz – „mit“ und „ohne“ Tarifvertrag!
http://www.labournet.de/diskussion/arbeit/realpolitik/kombilohn/niedrtarif.pdf
13.02.2011, Reinhold Schramm