Deutsche Geschichte – Erinnerung in Zeiten von Afghanistan
Das Kapital an der Macht bedeutet Weltkrieg.
Zur Festigung seiner Herrschaft nutzte das Kapital den Faschismus.(1) Faschistische oder autoritäre Regimes kamen in Ungarn (1920), in Italien (1922), Bulgarien und Spanien (1923), Albanien (1924), Griechenland (1925), Litauen, Polen und Portugal (1926), Jugoslawien (1929) und im Januar 1933 in Deutschland an die Macht. In Japan vollzog sich in den 1930er Jahren eine Faschisierung des Staatsapparates.
Bei seinen spezifischen Besonderheiten in den einzelnen Ländern besass der Faschismus ein und dasselbe Klassenwesen: Er ist „die offene terroristische Diktatur der am meisten reaktionären, chauvinistischen und imperialistischen Elemente des Finanzkapitals“(2)
Der Faschismus ist eine sozialpolitische Erscheinung, die dem Kapitalismus in der Etappe seiner allgemeinen Krise eigen ist.
Die Geschichte der Entstehung, Entwicklung und Festigung des Faschismus nach dem ersten Weltkrieg beweist, dass diese gefährliche gesellschaftliche Erscheinung vom Imperialismus gezeugt worden ist. Die faschistischen Regimes, die faschistischen Parteien und deren Führer waren stets Platzhalter und Willensvollstrecker des Industrie- und Bankkapitals.
In Italien wurden die Faschisten im Kampf gegen die werktätigen Massen vom reaktionärsten Teil der bürgerlichen Politiker und Ideologen, der Militärs und Staatsbeamten unterstützt und genutzt. Die „Schwarzhemden“ wurden von der Regierung, den Militärbehörden, der Polizei, dem Gericht und der Großbourgeoisie gefördert, mit Waffen versorgt und zu ihren Umtrieben ermuntert. Im Oktober 1920 gab der italienische Generalstab ein spezielles Rundschreiben heraus, in dem die Divisionskommandeure angewiesen wurden, die faschistischen Organisationen zu unterstützen. Militärbehörden gaben den Faschisten Waffen. Offiziere bildeten sie militärisch aus und leiteten militärische Aktionen gegen Arbeiterorganisationen. Am 29. Oktober 1920 beauftragte König Viktor Emanuel III. den Führer der Faschisten, Benito Mussolini, mit der Regierungsbildung.
Ihre bisher vollendetste Form fand die terroristische Diktatur des Imperialismus und Militarismus im deutschen Faschismus. Die faschistische Partei, demagogisch „Nationalsozialistische Deutsche Arbeiterpartei“ genannt, bezog seit Beginn der zwanziger Jahre hohe Zuwendungen von bayerischen Industriellen. Im April 1927 erhielt der Führer der deutschen Faschisten die Einladung zu einem Treffen mit 400 Unternehmern aus dem Ruhrgebiet in der Villa von Gustav Krupp von Bohlen und Halbach in Essen. Damit signalisierten die Großindustriellen der faschistischen Bewegung ihre Unterstützung und begannen sie in wachsendem Umfang zu finanzieren. Im Oktober 1931 bildeten die Magnaten des deutschen Kapitals Fritz Thyssen, Gustav Krupp, Friedrich Flick, Alfred Hugenberg, der frühere Reichsbankpräsident Hjalmar Schacht, deutsche Prinzen und der Vertreter der Reichswehr, General Hans von Seeckt, auf einer gemeinsamen Tagung mit Hitler die „Harzburger Front“, einen Block der Faschisten mit Monopolisten, Generalen und Junkern.
Mit raffinierter Propaganda und Demagogie gelang es den vereinten Faschisten des Kapitals, die Massen des städtischen Kleinbürgertums und andere soziale Schichten zu beeinflussen. In den Jahren der Weltwirtschaftskrise konnten die deutschen Faschisten die Stimmen von mehr als einem Drittel der deutschen Wähler auf sich vereinen.
Der deutsche Imperialismus nahm Kurs auf die Übergabe der Staatsmacht an die Faschisten. Mitte Dezember 1931 verlangte der ostpreußische Adel vom Reichspräsidenten Generalfeldmarschall Paul von Hindenburg, den Anführer der Faschisten als Reichskanzler einzusetzen. Im November 1932 unterbreiteten siebzehn große Industrie- und Bankmagnaten einen analogen Vorschlag. Am 4. Januar 1933 auf einer Beratung von Bankiers und Industriellen mit Führern der Nazipartei wurde endgültig die Übergabe der gesellschaftspolitischen Macht an die Faschisten beschlossen. Nach einem Schacher hinter den Kulissen zwischen den verschiedenen Fraktionen der deutschen Großbourgeoisie beauftragte Hindenburg am 30. Januar 1933 Hitler mit der Bildung einer neuen Regierung. „Wir haben ihn engagiert“, sagte ein prominenter Vertreter des deutschen Monopolkapitals, Franz von Papen.
Im Januar 1933 wurde die faschistische Diktatur in Deutschland errichtet. Das war ein Wendepunkt im Prozess der unmittelbaren Vorbereitung des zweiten Weltkrieges und hatte katastrophale Folgen für die ganze Menschheit.
In Japan wurden Anfang der 1930er Jahre bereits über 80 faschistische Organisationen gezählt. „Die Faschisierung Japans vollzog sich weder in der Form des Übergangs der Staatsmacht in die Hände einer in bestimmter Weise entstandenen Partei noch über die Errichtung einer Diktatur, die den bisherigen Staatsapparat umstürzte, sondern über die planmäßige Verstärkung der herrschenden Rolle jener Teile und Elemente der bestehenden Staatsordnung, die in sich auch schon zuvor Ansätze zur offenen Diktatur getragen hatten.“(3)
In den ersten Jahren der faschistischen Herrschaft in den verschiedenen Ländern wurde offenkundig, dass Faschismus an der Macht politische Gewaltanwendung gegen die Massen, Beseitigung aller von den Werktätigen errungenen bürgerlich-demokratischen Freiheiten, Zerschlagung der Arbeiterorganisationen und anderen demokratischen Organisationen, konterrevolutionären Terror bedeutete und sich ein verzweigtes, allumfassendes System der Kontrolle [durchaus eine historisch modifizierte Analogie zu „Hartz IV“] über das gesellschaftliche und persönliche Leben der Bürger ausbreitete. In den Rang der Staatspolitik wurden Chauvinismus und Rassismus […] erhoben. Man appellierte an die niedrigsten Instinkte, verbreitete den Führerkult um den „von Gott gesandten“ Duce, Führer, Caudillo, Tenno (den göttlichen Kaiser), der alles wisse und alles könne. Der Faschismus, der den totalitären Staat organisierte und offen pries, war gleichzeitig bestrebt, seine soziale Basis zu verbreitern und ein spezifisches System der „Zusammenarbeit“ [„Sozialpartnerschaft“ in der „Sozialen Marktwirtschaft“] aller Klassen und Schichten, von den Lohnarbeitern und Bauern bis zu Ladenbesitzern, Unternehmern, Beamten und Gendarmen, zu schaffen.
Die Imperialisten, die stets danach streben, aus dem Bewusstsein der werktätigen Völker alle revolutionären und demokratischen Traditionen auszumerzen, fanden in den Faschisten eine Kraft, welche diese Linie ihrer Interessen mit barbarischen Methoden fortsetzte.
In Deutschland wurde die gesamte progressive Literatur aus den Bibliotheken, Buchläden und aus den Bücherschränken der Bevölkerung entfernt. Auf den Straßen und Plätzen der Städte, vor den Universitäten und Bibliotheken loderten als Symbol des Faschistenregimes Scheiterhaufen aus Büchern. Die Faschisten verbrannten die Werke von Karl Marx, Friedrich Engels und W. I. Lenin, die Bücher der Klassiker der Weltliteratur, der demokratischen Vertreter der deutschen und europäischen Kultur. Progressive Wissenschaftler, Schriftsteller und Kunstschaffende wurden aus Institutionen, Redaktionen, Theatern, Filmstudios, Rundfunkanstalten, aus Schulen und Hochschulen [„Berufsverbote“] verjagt und durch Faschisten ersetzt. Über zweitausend Wissenschaftler, Literatur- und Kunstschaffende, darunter Albert Einstein, Bertolt Brecht, Thomas Mann, Arnold Zweig, Lion Feuchtwanger, mußten aus Deutschland fliehen. Zehntausende Menschen kamen in Gefängnisse und Konzentrationslager.
Eine „Säuberung“ der Bibliotheken und des Buchhandels erfolgte auch in Italien. Listen verbotener Autoren wurden aufgestellt, zu denen Ovid, Terentius, François Rabelais, Edgar A. Poe, L. N. Tolstoi, I. S. Turgenjew, N. W. Gogol gehörten. Spanische Faschisten erschossen den Dichter und Dramatiker Federico Garcia Lorca.
Überall mit wütendem Antikommunismus beginnend, waren die Faschisten bestrebt, das Volk zum willfährigen Werkzeug ihrer Politik zu machen. Zur Täuschung der Massen und zur Tarnung ihrer Klassenziele bedienten sich die Faschisten der sozialen Demagogie, stellten sie ihre Anschauungen als Ausdruck der Bestrebungen der ganzen Bevölkerung hin.
Die Nationalsozialisten, schrieb Ernst Thälmann, haben sich aus verschiedenen Gründen mit revolutionären Phrasen getarnt. Man müsse den Massen sagen, „dass hinter den Worten ‘Nation’ und ‘Sozialismus’ sich die brutale Fratze des ausbeutenden Kapitalismus verbirgt.“(4)
Faschismus an der Macht bedeutet Krieg. Nachdem der Faschismus die Opposition unterdrückt, dem „eigenen“ Land die Militarisierung aller gesellschaftlichen Verhältnisse aufgezwungen und den größten Teil der Bevölkerung seinem ideologischen Einfluss unterworfen hatte, pries er die Gewalt als angeblichen Hauptfaktor des gesellschaftlichen Fortschritts, bereitete er den Krieg gegen die Völker anderer Länder vor und proklamierte aggressive außenpolitische Ziele bis hin zur Erringung der Weltherrschaft. Der Politik des deutschen Faschismus wurde die Rassentheorie mit ihrer von Menschenhass strotzenden Verkündung von der Überlegenheit der „arischen Rasse“ zugrunde gelegt. Der Faschismus des deutschen Kapitals trat als Todfeind der ganzen Menschheit auf. In seinem Streben nach Errichtung der Weltherrschaft, nach Erdrosselung der Demokratie und nach Aufhalten des humanistischen Fortschritts stellte er sich die Vernichtung der Sowjetunion als wichtigstes Ziel, dass das Haupthindernis auf dem Wege zur Verwirklichung seiner aggressiven Pläne war.
Anmerkungen
1) Der Terminus Faschismus (fascismo – „Fascio“ – Bündel, Bund, Bündnis, Vereinigung) kam ursprünglich in Italien auf. Die 1919 in Mailand gebildete erste faschistische Organisation hieß „fascio di combattimento“ (Kampfbund).
2) XIII. Plenum des EKKI Dezember 1933. Thessen und Beschlüsse, Moskau/Leningrad 1934, S.5.
3) E. M. Žukov, O japonskom fašizme, Moskau 1934, S.84.
4) Ernst Thälmann, Geschichte und Politik. Artikel und Reden 1925 bis 1933, Berlin 1973, S.149.
Quelle vgl.: Der zweite Weltkrieg. Kurze Geschichte. Dietz Verlag Berlin 1985.
Die Ursachen des zweiten Weltkrieges. – Ein aktualisierter Auszug.
04.04.2010 / Reinhold Schramm