Der Zusammenhang zwischen Kommunistenjagd und Spaltung Deutschlands

Von Albert Norden

 

Ohne 1933 kein 1939. Ohne Hitlers KPD-Verbot und Kommunistenjagd im ersten Jahr keine Kriegsentfesselung im siebenten Jahr seiner Macht.

 

Hatten die Kommunisten seit den frühen zwanziger Jahren als einzige Partei in den Parlamenten, vor allem aber in den Betrieben und auf den Straßen mit der Waffe der Kritik ebenso wie mit der Kritik der Waffe kompromisslos und unerbittlich dem Faschismus die Stirn geboten, so musste dieser, zur Macht gekommen, die Kommunisten aus dem Wege räumen, um so durch die innere Aggression die äußere vorbereiten zu können.

 

Hitler kam um, aber seine Hintermänner und Finanziers und Nutznießer der faschistischen Kriegsdiktatur blieben. Und darum gingen und gehen sie nach seinem Rezept vor.

 

Dass die Kommunisten in den Nachkriegsregierungen der westdeutschen Länder ihren Platz fanden, war selbstverständlich. Niemand bestritt 1945, dass die Kommunisten innerhalb Deutschlands die Hauptlast des Kampfes gegen den Hitlerfaschismus getragen und die meisten Opfer zu beklagen hatten. Sie waren von der ersten Stunde nach dem Zusammenbruch des Nazireichs die Motoren der demokratischen Entwicklung. Sie boten die sicherste Garantie dafür, dass der alte mörderische Kurs nie wieder eingeschlagen werden würde.

 

Und ebenso natürlich waren vor allem die Kommunisten berufen, den Wunsch des deutschen Volkes zu erfüllen, der sich mit den Postulaten des Potsdamer Abkommens deckte: die Kriegsverbrecher zu enteignen und eine Neubildung der Konzerndiktatur mit all ihren abscheulichen politischen Erfolgen zu verhindern.

 

 

Neugeburt der Demokratie oder Wiedergeburt der Konzerne – das war nach dem zweiten Weltkrieg noch mehr wie nach dem ersten die Frage, von deren Antwort das Schicksal der Deutschen abhing. Deshalb nahmen die Kommunisten als Vollstrecker des Volkswillens, als klarblickende und weitsichtige Politiker ihren Platz in den westdeutschen Regierungen. Sie wollten neue Wege beschreiten. Aber schon am Beginn stellte sich ihnen ein Block entgegen, der aus so heterogenen Elementen gebildet war wie den Generalen der westlichen Besatzungsmächte, den westdeutschen christlichen und rechtssozialdemokratischen Parteiführungen und den übriggebliebenen Großindustriellen und Bankiers, Nazigrößen und Generalen. Sie wussten, dass, solange die Kommunisten in den Regierungen als wirkliche Interessenwahrer des Volkes tätig waren, der alte Staatsapparat, die alten Konzerne, die alten militaristischen Zustände nicht wieder belebt werden konnten. Darum wurden 1947 und 1948 die kommunistischen Minister systematisch aus den Regierungen der Länder und der Freien Städte verdrängt.

 

Nicht genug damit. Als die USA-Aggression in Korea ihren Lauf nahm und die kapitalistischen Geschäftemacher der eben gegründeten Bundesrepublik davon profitierten, verhängte die Bundesrepublik zur Feier des ersten Geburtstages ihres Spalterstaates den Ausnahmezustand gegen die Kommunistische Partei Deutschlands und warf alle Beamten aus dem Staatsdienst, die der KPD oder anderen Organisationen angehörten, wie der Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes, der Gesellschaft für Deutsch-Sowjetische Freundschaft, der Freien Deutschen Jugend usw.

 

Das geschah, nachdem einen Tag zuvor die Außenminister der USA, Großbritanniens und Frankreichs in New York beschlossen hatten, westdeutsche Truppen unter dem Tarnnamen „Bewegliche Polizeikräfte“ aufzustellen, die Bundesrepublik in die NATO einzubeziehen und ihr das Alleinvertretungsrecht für ganz Deutschland zuzubilligen. –

 

Der offizielle Hinauswurf aller konsequenten Antifaschisten und Antimilitaristen aus den Staats- und Gemeindeverwaltungen der Bundesrepublik zu diesem Zeitpunkt gewann eine besondere Bedeutung: Er sollte den Widerstand gegen die Remilitarisierung lähmen. An die Stelle der gemaßregelten Kommunisten traten nazistisch-militaristische Kräfte, die den Staatsapparat mehr und mehr durchsetzten.

 

Ungeachtet dessen war der Widerstand gegen die Neuaufrüstung nicht gebrochen. 1951 überzog ein Netz von Volksbefragungsausschüssen die Bundesrepublik, um die Bevölkerung gegen eine militaristische Neuauflage der antikommunistischen Politik in Front zu bringen. Da verhaftete die Polizei 7.331 Mitglieder und Helfer der Volksbefragungsausschüsse und suchte durch offenen Terror das Volk daran zu hindern, auf die Fragen eine antimilitaristische Antwort zu geben. Trotzdem widersetzten sich mehr als 9 Millionen Westdeutsche mit ihrer namentlichen Unterschrift der Wiederauferstehung einer von schuldigen Politikern und nazistischen Generalen betriebenen Politik des Verhängnisses.

 

Angesichts dieser großen Bewegung stellte die alarmierte Bundesregierung am 22. November 1951 beim Bundesverfassungsgericht den Antrag auf Verbot der Kommunistischen Partei, deren Teilnahme an der Volksbefragung gegen die Wiederaufrüstung als „schwerster Angriff gegen den Bestand der Bundesrepublik“ charakterisiert wurde.

 

Im November 1954 begann der Prozess und endete im August 1956 mit dem vom höchsten Gericht der Bundesrepublik verfügten und von der Adenauer-Regierung eiligst durchgeführten Verbot der KPD. Elf Jahre nach dem Ende des hitlerischen Blutregimes, das Zehntausende Kommunisten ermordet und Hunderttausende eingekerkert hatte, wurde als wichtigster Akt der revanchistisch-militaristischen Politik die Kommunistische Partei Deutschlands von Hitlers Nachfolgern erneut in die Illegalität getrieben.

 

Am 23. Oktober 1954 begingen Adenauer und die Monopolhierarchie nach dem nationalen Verrat, der Bildung des westdeutschen Separatstaates, das zweite und dritte Verbrechen: die Unterzeichnung der Pariser Verträge und die Eingliederung Westdeutschlands in die NATO.

 

Ihre Ziehe, die Wiederherstellung des deutschen Militarismus, die Einbeziehung der Bundesrepublik in den westlichen Kriegspakt, die Aufstellung einer regulären Armee von 500.000 Mann, richteten sich ebenso gegen die Wiederherstellung der Einheit Deutschlands, wie sie Sicherheit und Frieden preisgaben. Sie zementierten die Spaltung Deutschlands, verwandelten die Bundesrepublik in das europäische Zentrum des kalten Krieges und der Vorbereitung einer neuen Militärexplosion.

 

Die deutschen Imperialisten, die die Periode des Stabilisierung ihrer Macht sowohl ökonomisch wie politisch für abgeschlossen hielten, drängten zur aggressiven Lösung der deutschen Frage. Wiederaufgerüstet, ausgestattet mit einer starken Armee und gestützt auf die NATO, glaubten sie, das mit der Existenz der Deutschen Demokratischen Republik entstandene Kräfteverhältnis in Deutschland zu ihren Gunsten verändern und danach auch alle weiteren Ergebnisse des zweiten Weltkrieges im Osten Europas revidieren zu können.

 

Der Eintritt der Bundesrepublik in das aggressive NATO-Bündnis machte das Maß des Verbrechens voll und schlug, wie der damalige SPD-Vorsitzende Erich Ollenhauer selber vor der sozialdemokratischen Bundestagsfraktion 1954 zugab, das Tor zur Wiedervereinigung Deutschlands endgültig zu. [Siehe Anmerkung] *

 

Die Deutsche Demokratische Republik hatte seit langem davor gewarnt, dass durch die Ratifizierung der Pariser Abkommen und mit dem Beitritt Westdeutschlands zur NATO die Wiedervereinigung Deutschlands ausgeschlossen und der europäische Frieden aufs Spiel gesetzt wird und eine neue gefahrdrohende Lage entsteht. Ungenutzt blieb die vorher von der DDR-Regierung gebotene Chance einer friedlichen und demokratischen Wiedervereinigung auf dem Wege freier gesamtdeutscher Wahlen.

 

Das heraufziehende Kriegsgewölk die sich zuspitzenden Spannungen veranlassten die sozialistischen Staaten zu weitreichenden gemeinsamen Maßnahmen. Am 14. Mai 1955 unterzeichneten die Regierungsdelegationen der sozialistischen Länder in Warschau den Vertrag über Freundschaft, Zusammenarbeit und gegenseitigen Beistand und beschlossen in völkerrechtlicher Pflichterfüllung zur Erhaltung des Friedens und der Sicherheit der sozialistischen Staaten die Bildung eines vereinten Kommandos der Streitkräfte der Teilnehmerstaaten. Mit diesem Schutzbündnis verpflichteten sie sich, alles in ihren Kräften Stehende zu tun, um den weiteren Vormarsch der sozialistischen Gesellschaftsordnung in der DDR und den anderen Staaten zu garantieren sowie schwelende Brandherde in Europa einzudämmen und zu löschen.

 

Halten wir noch einmal fest:

 

• 1945 bereits propagierte Adenauer im Bunde mit den imperialistischen Westmächten die Spaltung Deutschlands.

 

• 1946 wurden unter dem Jubel der westdeutschen Großbourgeoisie die amerikanische und englische Besatzungszone zusammengeschlossen.

 

• 1947 schufen die Besatzungschefs zusammen mit den deutschen Großkapitalisten den Wirtschaftsrat, der Westdeutschland ökonomisch vom übrigen Deutschland abtrennte.

 

  • 1948 wurde Deutschland wirtschaftlich durch die Einführung einer Separatwährung zerrissen, deren Geldnoten in Washington heimlich gedruckt worden waren und überraschend in Westdeutschland eingeführt wurden. –

 

Die Tatsache, dass dies direkt während der Viermächteverhandlungen über die Einführung einer gemeinsamen neuen Währung für ganz Deutschland geschah, unterstreicht noch die böswillige Spaltungsabsicht. –

 

Im Gegensatz zu den offiziellen Versprechen der Westmächte, diese Spaltungswährung in den Westsektoren Berlins nicht einzuführen, geschah dies am 23. Juni 1948 trotzdem. Dadurch schnitten die Westmächte, im Einvernehmen mit den Westberliner Trustherren und sozialdemokratischen Führern, die Hauptstadt Deutschlands in zwei Teile.

 

Zum Verbrechen der Zerreißung Deutschlands gesellte sich das Verbrechen der Zerreißung seiner Hauptstadt. Man stelle sich vor, Berlin wäre eine wirtschaftlich administrative Einheit geblieben, wie es für die Großstadt einer seit vielen Jahrhunderten zusammengewachsenen Bevölkerung mit einer Sprache, einem Territorium, einer Wirtschaft und einer Verwaltung eigentlich ganz selbstverständlich ist! Das wäre für die dreieinhalb Millionen Berliner von großem Vorteil gewesen, hätte zur Beruhigung der Lage beigetragen und vor allem die Verwandlung Westberlins in eine Zentrale kriegerischer Spannungen verhindert.

 

Der wirtschaftlichen folgte 1949 die politische Spaltung: Die Bundesrepublik wurde im September 1949 gegründet.

 

Imperialistische Stiefel zertraten das von den Großmächten im August 1945 abgeschlossene Potsdamer Abkommen, das ein abgerüstetes, wirtschaftlich einheitliches Deutschland vorsah, frei von Trusts und Monopolen, frei von Militarismus und nationalistischer Vergiftung. Die ersten Schritte ins Verderben waren zurückgelegt.

 

Jetzt taten die Adenauers im Schatten und Schutz ihrer wohlwollenden ausländischen Gönner und Förderer einen neuen Schritt. Der Geburt des kapitalistischen Spalterstaates folgte nun die Vorbereitung der neuen Aggression, die Aufrüstung, die Schaffung der Armee im hitlerischen Geist unter Hitleroffizieren, Verbreitung der Revanche- und Eroberungsideologie unter jung und alt, in den Schulen wie in den Kasernen, in der Presse wie im Rundfunk und Fernsehen. –

 

Am Ende dieses Weges stand 1955 der Beitritt zur NATO, dieser mit dem Ziel der Zertrümmerung des Sozialismus in Europa gegründeten „Heiligen Allianz“ des 20. Jahrhunderts.»

 

[Modifikation und Hervorhebung – R. S.]

 

Anmerkung

 

* Siehe Interview des Vorsitzenden der SPD-Bundestagsfraktion, Fritz Erler, in der Westberliner Zeitschrift „Der Monat“, Mai 1967, Nr. 224, S. 33.

 

Quelle: Albert Norden, So werden Kriege gemacht! Über Hintergründe und Technik der Aggression. Dietz Verlag Berlin 1968. Vgl.: Um Krieg und Frieden im Herzen Europas. Zusammenhang zwischen Kommunistenjagd und Spaltung Deutschlands.

 

04.11.2014, Reinhold Schramm (Bereitstellung)

//