Der Kampf der Kommunistischen Partei Griechenlands mit dem Opportunismus

 

Posted on 7. November 2015 von

 

 

kkeDie Erfahrungen der Jahre 1949-1968

Im November 2011 wurde in Griechenland der zweite Band der Geschichte der Kommunistischen Partei nach vielen Monaten der Diskussion, die in allen Organisationen der Partei und der Kommunistischen Jugend stattfand, veröffentlicht. Der gesamte Prozess wurde am 16. Juli 2011 durch die Durchführung einer landesweiten Konferenz abgeschlossen, die die endgültige Textfassung festlegte.

Der zweite Band umfasst den Zeitraum von 1949 bis 1968 – vom Ende des bewaffneten Kampfes der Demokratischen Armee Griechenlands, der dreieinhalb Jahre (12. Februar 1946 – 29. August 1949) geführt wurde, bis zum 12. Plenum des Zentralkomitees der Kommunistischen Partei (5. bis 15. Februar 1968), bei dem sich die Kommunistische Partei spaltete und von einer rechts-revisionistischen Gruppe (eurokommunistisch) eine neue Partei namens KKE(Inland) gegründet wurde.

Obwohl es um den Zeitraum 1949 – 1968 geht, befasst sich der Geschichtsband auch mit den 40er Jahren. Das war notwendig, weil die Parteidokumente des Bezugszeitraums sich umfassend mit den 40er Jahren beschäftigten, um Schlussfolgerungen als Voraussetzung für die Gestaltung der Parteipolitik unter den neuen Bedingungen zu ziehen.

Die konterrevolutionären Umwälzungen, die 1989-1991 ihren Höhepunkt erreichten, zwangen unsere Partei ihre Tätigkeit und ihre Geschichte gründlicher zu prüfen. Wir sahen uns gezwungen, tiefer in die historische Bewertung von Entscheidungen und Aktionen der Kommunistischen Partei zu gehen, um aus den negativen Entwicklungen grundlegende Schlussfolgerungen zu ziehen, die in den Beschlüssen der Parteitage der letzten zwanzig Jahre vor allem beim 18. Parteitag (2009) aufgenommen wurden. Die Kommunistische Partei ist der Auffassung, dass das Studium der Geschichte Teil ihrer Entwicklung darstellt, denn die historische Erfahrung ermöglicht ein durchdringenderes und wirksameres Handeln der Partei bei der Organisation des Klassenkampfes für die Abschaffung der Ausbeutung des Menschen durch den Menschen. In diesem Sinne ist das Studium der Geschichte ein Prozess der Inspiration für bewusstes Handeln.

Die grundlegende Frage, die der Geschichtsband behandeln, ist die Strategie der Kommunistischen Partei. Beurteilungskriterien waren die folgenden Punkte:

  1. Unsere Zeit ist die Epoche des Übergangs vom Kapitalismus zum Sozialismus, weil der Kapitalismus sein reaktionäres Stadium seit über einem Jahrhundert erreicht hat. Die Phase der bürgerlichen Revolutionen, die Impulse für den gesellschaftlichen Fortschritt gaben, die Macht der Feudalherren stürzten und die Reste der feudalen Produktionsverhältnisse beseitigten, ist endgültig vorbei. Der Sturz des sozialistischen Aufbaus mit dem Sieg der Konterrevolution 1989–1991 ändert nichts an der Notwendigkeit, Aktualität und Perspektive dieser revolutionären gesellschaftlich-politischen Bewegung.
  2. Der Charakter der Revolution wird nicht von den bestehenden Machtverhältnissen bestimmt, sondern vom Reifegrad der materiellen Bedingungen für den Sozialismus. Der notwendige Mindestreifegrad der materiellen Bedingungen ist auch bei prozentualer Minderheit der Arbeiterklasse (in der erwerbstätigen Bevölkerung) erreicht, von dem Moment an, in dem sie sich durch die Bildung ihrer Partei ihrer historischen Mission bewusst wird.
  3. Zwischen Kapitalismus und Sozialismus gibt es keinerlei sozioökonomisches Übergangssystem, wodurch es auch keinen zwischenzeitlichen Herrschaftstyp geben kann. Der Charakter der Macht ist entweder bürgerlich oder proletarisch. Die Meinung – Position hinsichtlich der Möglichkeit und Notwendigkeit der Einrichtung einer Übergangsregierung konnte in keinem Land bestätigt werden.

Diese Frage hat auch den 18. Parteitag der Kommunistischen Partei beschäftigt, der betonte, dass der Charakter der Macht nicht mit den zwischenzeitlichen historischen “Augenblicken” zu verwechseln sei. Die programmatischen Positionen des 15. Parteitags zu den Übergangs- “Momenten” wurden wiederholt:

„Unter den Bedingungen der Zuspitzung des Klassenkampfes, des revolutionären Aufschwungs der Volksbewegung kann es – wenn der revolutionäre Prozess begonnen hat – eine Regierung als Institution der Volksmacht geben, die ohne allgemeine Wahlen oder parlamentarische Verfahren die Genehmigung und Zustimmung der kämpfenden Menschen erhält. Diese Regierung wird sich mit der Macht der Arbeiterklasse und ihrer Verbündeten identifizieren oder sie wird nur einen formellen Abstand davon halten (…).

Für unsere Partei besteht die Herrschaftsform klar in der Diktatur des Proletariats, ohne in Zwischenformen der Macht zu irren. Es ist eine andere Sache – rückwirkend, d.h. aus der historischen Forschung betrachtend – die Vielfalt im Prozess noch vor dem Umsturz der bürgerlichen Macht und während ihrer Schwächung festzustellen. Die Formen, die sich in jedem historischen Fall als Stufen des Zusammenbruchs der bürgerlichen Macht ergeben, sind Gegenstand der historischen Forschung. Zum Beispiel stellten die ersten Regierungen der antifaschistischen Fronten der von der Roten Armee befreiten Länder keine revolutionäre Arbeiterherrschaft (Diktatur des Proletariats) dar. Es waren auch bürgerliche Kräfte beteiligt. Deshalb kam es schnell zur Auseinandersetzung “wer – wen” und zu deren Lösung in den meisten Fällen durch die Errichtung der revolutionären Arbeitermacht (Diktatur des Proletariats), wobei der Verlauf der Ereignisse nicht ohne die Anwesenheit der Truppen der Roten Armee betrachtet werden kann. (…) Im Fall der kubanischen Revolution gab es auch keine Übergangsherrschaft, kein sozioökonomisches Übergangsgebilde. Ausgangspunkt des revolutionären Prozesses war der nationale bewaffnete Unabhängigkeitskampf, der in seinem Verlauf sozialistischen Charakter annahm und das Problem de facto löste. (…) Auch die „Doppelherrschaft“ in Russland verifizierte keine Übergangsherrschaft.“

  1. Die Bündnispolitik der Kommunistischen Partei muss auf der richtigen Beurteilung der Interessen und der Position der sozialen Kräfte in der kapitalistischen Gesellschaft basieren; sie soll der Abspaltung von Volksgruppen vom Einfluss der Bourgeoisie und ihrem Zusammenschluss mit der Arbeiterklasse dienen mit dem Ziel des Machtwechsels und nicht mit dem eines Parteienwechsels in der bürgerlichen Regierung. D.h., es besteht die Notwendigkeit eine gesellschaftspolitische Allianz zu bilden, die sich mit der ökonomischen Herrschaft der Monopole, mit ihrer politischen Macht, mit den imperialistischen Vereinigungen auseinandersetzt. Hierin besteht der Grund der Ablehnung der Forderungen zur politischen Zusammenarbeit mit bürgerlichen und opportunistischen Kräften auf der Grundlage eines Programms zur betrügerischen „Sanierung“ des Systems.
  2. Der Opportunismus hat eine objektive Grundlage. Eine seiner hauptsächlichen Quellen stellen die kleinbürgerlichen Schichten dar, die unter Druck stehen oder auch zerstört werden durch den Prozess der Konzentration und Zentralisation des Kapitals, der Erweiterung der Monopolgruppen.
    Die Arbeiterklasse ist allerdings auch nicht einheitlich. Sie besteht aus verschiedenen Einkommensgruppen, sowie aus Sektoren unterschiedlicher politischer Klassenerfahrung, zumal ihre Erweiterung durch die anhaltende Expansion der kapitalistischen Lohnarbeit in alten und neuen Branchen erfolgt.

Insbesondere ist die Schicht der Arbeiteraristokratie zu beachten, d.h. der erkaufte Teil der Arbeiterklasse, der auch eine wesentliche Quelle des opportunistischen Phänomens bildet, weil er den Träger der Klassenzusammenarbeit innerhalb der Arbeiterbewegung darstellt.
Die opportunistischen Kräfte werden oft in abrupten Wendungen des Klassenkampfes – während seines Anstiegs oder Rückzugs – stark. In der großen konterrevolutionären Welle der letzten 20 Jahre äußerte sich der Druck der bürgerlichen Ideologie durch die verallgemeinerte Revision von Grundpositionen der kommunistischen Ideologie und durch die opportunistische Anpassung an das System.

  1. Unaufhörlicher ideologischer und politischer Kampf gegen den Opportunismus unabhängig von seinen Verhüllungen, Verwandlungen und Anpassungen an die Phasen des Klassenkampfes und an die Veränderungen im Kräfteverhältnis. Die Haltung der KP gegenüber dem Träger des Opportunismus entwickelte sich im Laufe der Zeit unterschiedlich – teils als zugespitzter politisch-ideologischer Kampf gegen ihn, teils als Wahlbündnis oder längerfristige Partnerschaft mit ihm. Die positiven und negativen Erfahrungen daraus bestätigen folgende Schlussfolgerung: Die Zusammenarbeit mit dem Opportunismus, mit dem Teil der kommunistischen Bewegung, der grundlegende Prinzipien des revolutionären Kampfes verleugnet und revidiert und sich der bürgerlichen Politik anpasst, bedeutet in der Praxis Zusammenarbeit mit der bürgerlichen Politik. In der Arbeiterbewegung nützt sie zur Korrosion und Mutation der Kommunistischen Partei, weshalb sie auch von der Bourgeoisie und ihren Führungsstäben massiv unterstützt wird. Die Auseinandersetzung mit dem Opportunismus betrifft die Konfrontation in den Bereichen der Orientierung der Organisation der Massen, der Lenkung des Volkskampfes, des Inhalts der Allianzen. Dies kann man den Erfahrungen der Kommunistischen Partei aus der Auseinandersetzung des vergangenen Zeitraums mit den opportunistischen Appellen zur „Einheit der Linken“, „Einheit in Schwierigkeiten“, „Kampf gegen den Neoliberalismus“, heute „Einheit gegen das Memorandum“ usw. entnehmen.

Die Gestaltung der Strategie der Kommunistischen Partei nach dem Ende des Kampfes der Demokratischen Armee Griechenlands

Nach dem Ende des bewaffneten Kampfes 1946 – 1949 arbeitete die Führung der bereits illegalen Kommunistischen Partei die Politik und Strategie der Partei angesichts der neuen Gegebenheiten, die sich in Griechenland und im Ausland ergeben hatten, aus und legte das strategische Ziel der Kommunistischen Partei, den Kampf für die sozialistische Revolution fest. Diese Ausarbeitung – die im Wesentlichen schon sieben Monate vor dem Ende des bewaffneten Kampfes begann – bedeutete, dass die Kommunistische Partei die Strategie der bürgerlich-demokratischen Revolution verlassen hatte, die mehrere Jahre vor dem Zweiten Weltkrieg festgelegt worden war, auch auf Grundlage der entsprechenden Konzeption der Komintern.

Hierbei ist zu beachten, dass die Übernahme des bürgerlich-demokratischen Stadiums sich unter anderem aus der Analyse des Charakters der griechischen Bourgeoisie ergab. Sie war den großen imperialistischen Mächten unterworfen, vor allem Großbritannien und nach dem Krieg den USA, so schätzte es damals die KKE. Man ging davon aus, dass das Bürgertum wegen seiner Unterwürfigkeit ein Hindernis für die Entwicklung der Schwerindustrie in Griechenland darstelle und verantwortlich für die miserablen Lebensbedingungen der Arbeiterklasse und der armen Bauernschaft sowie auch für eine Reihe nicht umgesetzter, so genannter bürgerlich-demokratischer Reformen (Beibehaltung der Monarchie und anderer) sei. Als Ergebnis dessen hinke Griechenland weit hinter dem Niveau der entwickelten kapitalistischen Länder Westeuropas her. Die hiesige Bourgeoisie habe ihre historische Mission verraten und die aufsteigende Klasse, die der Arbeiter, übernehme die historische Verantwortung der Vollendung der bürgerlich-demokratischen Umgestaltung der griechischen Gesellschaft im Bündnis mit der Bauernschaft, wodurch sich die notwendigen Kräfteverhältnisse entwickeln werden, die dann zur Umwandlung der bürgerlich-demokratischen in eine sozialistische Revolution führen.

Diese Strategie bestätigte sich nicht. Sie war sogar die Hauptursache schwerer Fehler während des Nationalen Widerstandes (1941-1944). Auf ihrer Grundlage gestaltete sich in den Jahren des Zweiten Weltkriegs die Politik der „nationalen Einheit“: Man verbündete sich mit bürgerlichen Kräften, die den Kampf des Volkes während der deutsch-italienischen Besatzung und später untergruben und gleichzeitig in Zusammenarbeit mit dem britischen Imperialismus auf das Ziel der Stärkung der in den Jahren des Dominierens der Nationalen Befreiungsfront (EAM) erschütterten bürgerlichen Macht hin arbeiteten.

1944 beteiligte sich die Kommunistische Partei und die verbündete Front EAM an der Regierung der „nationalen Einheit“. Sie wurde im Nahen Osten gegründet, wo sich ein Teil der Führung der bürgerlichen Parteien aufhielt. Die Teilnahme an einer solchen Regierung erwies sich für die Entwicklung der Volksbewegung als katastrophal, auch wegen der Tatsache, dass sich in Griechenland in den Tagen der Befreiung von den Deutschen eine revolutionäre Situation ergeben hatte. Unsere Partei war nicht darauf vorbereitet, ein Programm zur Verbindung des nationalen Befreiungskampfes mit dem Kampf zur Eroberung der Macht durch die Arbeiterklasse auszuarbeiten. Das führte zu Fehlern, die entscheidend für den Ausgang des Kampfes waren. Einer davon war die Zustimmung der KKE die Führung der Volksarmee dem englischen Generalleutnant Scobie zu unterstellen.

Nach einiger Zeit (Anfang Dezember 1944) traten die KKE und EAM von der Regierung zurück, nachdem diese und die Engländer die Auflösung der Volksarmee gefordert hatten, während sie bürgerliche Streitkräfte aufrecht erhielten.

Diese Regierung verübte mit der massiven militärischen Hilfe der Engländer blutige Massaker an den Menschen in Athen und Piräus, die 33 Tage lang heldenhaft kämpften. Es bildete sich eine einheitliche bürgerliche Front, in deren Reihen sich auch die „Sicherheitsbataillone“ befanden – die  Milizen, die in den Jahren der Besatzung als Instrument der Deutschen und der Kollaborateurregierung errichtet wurden und das Volk ermordeten. Die Bildung dieser Batallone hatte seinerzeit die heimliche Unterstützung sowohl der Engländer als auch der einheimischen bürgerlichen politischen und wirtschaftlichen Kräfte gehabt, die sich gegen die Deutschen und Italiener auf die Seite Großbritanniens gestellt hatten.

Die Strategie der Stadien wurde auch nach dem Krieg im heroischen bewaffneten Kampf der Demokratischen Armee Griechenlands weitergeführt.

Die Änderung der Strategie der Kommunistischen Partei nach dem Bürgerkrieg war richtig. Ihre umfassendere Bearbeitung fand 1953 bei der 4. Vollversammlung des Zentralkomitees der Kommunistischen Partei statt, die den Entwurf des Parteiprogramms ausarbeitete und ihn zur öffentlichen Debatte stellte.

Den Charakter der Revolution als sozialistisch festlegend, stellte der Programmentwurf  einen wichtigen Schritt im kollektiven Denken der Partei dar. Allerdings begründete er diese Strategie durch die Veränderung des Kräfteverhältnisses, worauf sich unter anderem die entsprechende Passage bezieht:

8 . „(…) zusammen mit dem ebenso entscheidenden Faktor der Veränderung des Kräfteverhältnisses zugunsten der Demokratie und des Sozialismus auf dem Balkan, auf europäischer und globaler Ebene, die sich aus dem Zusammenbruch des Hilterfaschismus und des japanischen Militarismus im Zweiten Weltkrieg ergab(…) hatten zur Folge, dass die bürgerlich-demokratische Etappe der Revolution in Griechenland grundsätzlich überwunden ist. (…)
In dieser Veränderung des Kräfteverhältnisses, lokal, auf dem Balkan, in Europa und weltweit, müssen wir die richtige Erklärung für das scheinbare Paradox finden, dass – obwohl wir heute in der Struktur das Landes einen Rückschritt verzeichnen – (…) wir im Charakter der Revolution das bürgerlich-demokratische Stadium verlassen und als kommende gesellschaftliche revolutionäre Änderung in unserem Land die volksdemokratisch-sozialistische festlegen.

  1. (…) Die Machtform wird die Volksrepublik sein, die Funktionen der Diktatur des Proletariats umsetzen wird, sie wird eine volksdemokratische Arbeiter-und-Bauern-Macht sein, eine Form der Diktatur des Proletariats“.

Die Grundlage der obigen Analyse bestand in der mechanischen Übertragung der Positionen und Erfahrungen einiger Länder, wie der ehemaligen Kolonien des zaristischen Russlands, die – gestützt auf den Sieg der sozialistischen Revolution in Russland – der UdSSR beitraten oder die bürgerliche Staatsmacht und die kapitalistische Entwicklung übergehen konnten, obwohl sie umfangreiche vorkapitalistische Produktionsverhältnissen besaßen. Zum Beispiel, im Fall der Mongolei. Aber in Griechenland war die kapitalistische Gesellschaft mit der entsprechenden wirtschaftlichen Basis und dem Überbau bereits seit Anfang des 20. Jahrhunderts gebildet.

Der Programmentwurf, der Griechenland als kolonisiertes Land einschätzte, konnte den Verlauf der kapitalistischen Restaurierung, die Kursstabilisierung der bürgerlichen Macht nicht objektiv analysieren. Alle Folgen der tiefen Krise in Griechenland – wirtschaftliche, politische – wurden als Folgen der amerikanischen Unterdrückung interpretiert, die die nationale Souveränität zerstöre und den internen Landesverrat fördere. Die bewusste Wahl der Bourgeoisie in Griechenland, sich auf die repressiven Kräfte der ausländischen Verbündeten zu stützen, um die internen Machtverhältnisse zu ihrem Gunsten zu stabilisieren, wurde nicht erkannt. Diese Analyse ignorierte die historischen Faktoren, die die ungleichmäßige Entwicklung der kapitalistischen Länder bestimmen. Sie erklärte die Wirkung der relativen Verzögerung auf den Ausmaß und die Tiefe der wirtschaftlichen, politischen und militärischen Abhängigkeit Griechenlands von den führenden imperialistischen Mächten invertiert. Der Programmentwurf übersah, dass das Gesetz der Ungleichmäßigkeit der kapitalistischen Entwicklung das Verhältnis der kapitalistischen Staaten zueinander, die politische Lösung ihrer außenpolitischen Differenzen beeinflusst. Die kapitalistische Ungleichheit wurde dem von der Bourgeoisie begangenen so genannten „Verrat an der Nation“ und der hemmenden Rolle des externen Faktors zugeschrieben.

Trotz der Tatsache, dass der Programmentwurf das bürgerliche Stadium umging, war er nicht frei von der Theorie der Stadien: Die Kommunistische Partei bestimmte als taktisches Ziel die Gründung „einer landesweiten patriotischen Front“, die die „patriotischen Kräfte“ vereinen sollte „um eine patriotische Koalitionsregierung zu bilden“.

Letztlich wurde 1956 auch die unvollständige und widersprüchliche Bemühung der Führung der Kommunistischen Partei Schlussfolgerungen aus dem Kampf in den 40er Jahren zu ziehen unmittelbar nach dem 20. Parteitag der KPdSU unterbrochen, worauf auch unsere Partei den rechts-opportunistischen Kurs einschlug, dessen Hauptmerkmal die Ablehnung des bewaffneten Kampfes 1946 – 1949 und die Adoption des „parlamentarischen Weges zum Sozialismus“ war. Die 6. Vollversammlung des ZK (1956), die von sechs KPs (der Sowjetunion, Ungarns, Polens, der Tschechoslowakei, Rumäniens und Bulgariens) einberufen wurde, bestand auf die Absetzung der KKE-Führung, vor allem des Generalsekretärs des ZK Nikos Zachariadis.

Von da an gingen die dominierenden Kräfte in der KKE an die Auflösung der in Griechenland illegalen Parteiorganisationen und an die Integration aller Kommunisten in der Vereinigten Demokratischen Linken (EDA), einer Allianz mit Kräften der Sozialdemokratie, die nicht der bürgerlich-liberalen Partei beigetreten waren. Mit aufgelösten Parteiorganisationen organisierte die sich in den Volksrepubliken befindende Führung der KP den 8. Parteitag (1961).

Der 8. Parteitag bestätigte die Politik der Kommunistischen Partei von 1956 und prägte zusätzlich wieder die Strategie der Stufen. Die erste Stufe wäre der sogenannte „Nationale Demokratische Wandel“, der für eine Revolution gehalten wurde, zu deren treibenden Kräften die so genannte „nationale Bourgeoisie“ gehörte. Tatsächlich wurde betont, dass sich eine revolutionäre Veränderung auch trotz der Tatsache vollziehe, dass sich der Charakter der Produktionsverhältnisse im „Regime des Nationalen Demokratischen Wandels“ nicht verändert.

Im Kern wiederholte der Parteitag frühere Auffassungen der Partei über die Existenz eines Teils der Bourgeoisie, der patriotische Charakteristika aufweist, und eines weiteren, der als „fremdhörig“ bezeichnet wurde. Wir können davon ausgehen, dass die Wurzeln der Trennung der Bourgeoisie in „patriotisch“ und „fremdhörig“ in politischen Analysen der internationalen kommunistischen Bewegung aus der Zeit des Krieges liegen.

Diese Bündnispolitik betraf die Partnerschaft mit einem Teil des bipolaren bürgerlichen politischen Systems gegen die so genannte Rechte. In Wirklichkeit führte sie zur Umwandlung von EDA und KKE in Anhängsel der liberalen bürgerlichen Partei, der die EDA immer wieder Vorschläge für die Bildung einer „demokratischen Regierung“ machte, die natürlich verworfen wurden. Diese Partei (Zentrumsunion) war nur daran interessiert, Teile der Wählerschaft unter Benutzung des Dilemmas „Rechts oder demokratisch?“ abzuspalten.

Die EDA-Politik speiste dieses Dilemma. Die Entscheidung der EDA, bei den Parlamentswahlen 1964 in 24 Wahlkreisen  – für die es Kandidaten der Zentrumsunion gab – keine eigenen Kandidaten  aufzustellen, war charakteristisch. Als letztere die Regierung bildete, blieb die KP weiterhin verboten, wurden weder die EAM anerkannt, noch die Rückkehr der politischen Flüchtlinge erlaubt, noch die vor Jahren als Spione verurteilten kommunistischen politischen Gefangenen entlassen!

Zu beachten ist, dass die liberale Partei wenige Monate zuvor bei Wahlen keine parlamentarische Mehrheit erreicht und deshalb Neuwahlen beantragt hatte. Dem Programm der provisorischen Regierung zustimmend hatte die EDA im Parlament bekundet:

„(…) Die EDA bestätigt in der Praxis, dass es derzeit im Parlament eine ausreichende Mehrheit gibt, sodass das Werk der Regierung ausgeführt werden kann“. Gemäß den Erklärungen der Führung der liberalen Partei wurde eine parlamentarische Unterstützung durch die EDA abgelehnt.

Auf der anderen Seite wurde das so genannte Dilemma „Gegen die Rechte“ auch von den entsprechenden politischen Allianzen in der Gewerkschaftsbewegung, in den Bewegungen der Bauernschaft und der Mittelschichten der Stadt gestärkt. De facto führte das zur Stärkung der Gewerkschaftsflügel, die die bürgerlichen Interessen auf flexiblere Art und Weise als die klassischen Arbeiterverräter vertraten. Insgesamt bildete sich eine Arbeiterbewegung, die trotz der harten und oft heroischen Kämpfe der Kommunisten und anderer Mitläufer nicht zur Gestaltung einer höheren Form des politischen Bewusstseins der Arbeiterklasse beitrug.

Die Orientierung der Gewerkschaftsbewegung hätte berücksichtigen müssen, dass der ideologische, politische und ökonomische Kampf einheitlich ist und sowohl wirtschaftliche als auch andere Forderungen einschließt; er vollendet sich in der Arbeiterbewegung, indem Aktionen gegen die kapitalistische Ausbeutung, gegen ihre politischen und gewerkschaftlichen Vertreter insgesamt durchgeführt werden. Somit trägt er zur Sammlung und Vorbereitung der Kräfte auf die Arbeitermacht bei.

Das Studium der Periode 1949 – 1968 bestätigt, dass die Arbeiterklasse im Bündnis mit Halbproletariern, armen Bauern und Selbstständigen der Städte bis zur endgültigen Lösung der Machtfrage, d.h. bis zur Errichtung der Arbeitermacht, für den Sturz der bürgerlichen Macht kämpfen muss.

Die Erfahrung aus der Schaffung der EDA

Die Kommunistische Partei hat auch aus der Schaffung der EDA wichtige Erfahrungen gesammelt. Dass die Kommunistische Partei verboten war, rechtfertigt diese Wahl nicht. Sicherlich musste unsere Partei alle bestehenden gesetzlichen Möglichkeiten ausnutzen, musste sie Formen des politischen Ausdrucks unter den gegebenen Umständen finden, ohne aber dabei ihre Autonomie aufzugeben.

Die Schaffung der EDA spiegelt zwei gravierende Probleme wider, die die Politik der Kommunistischen Partei aufwies. Erstens, die fehlerhafte Auffassung, die das Parteiprogramm in ein „Minimum“ und in ein „Maximum“ teilte. Das war die Ursache falscher politischer Allianzen. Zweitens, die negativen Auswirkungen der Strategieprobleme auf die Verbindung der illegalen und der legalen Arbeit, deren Ziel es eigentlich ist, dass sich die eigenständige Organisation und Physiognomie der KKE unter allen Bedingungen sowohl auf politischer Ebene als auch in der Bewegung ausdrückt.

Der Zusammenschluss auch sozialdemokratischer Kräfte in der EDA nährte den Opportunismus in den Reihen der Kommunistischen Partei noch mehr.

Auf der anderen Seite versuchten die opportunistischen Kräfte in der Kommunistischen Partei und der EDA einen Weg zur Auflösung der Kommunistischen Partei einzuschlagen, so wie es Jahre später 1989 – 1991 geschah, als entsprechende Kräfte versuchten, die damalige „Koalition der Linken“ in eine einheitliche Partei zu wandeln, was die Diffusion der KKE bedeutete. Es handelte sich im Grunde um dieselben Kader, die heutzutage in der Führung von SYRIZA sind.

Es ist darauf hinzuweisen, dass die Kader der Kommunistischen Partei, die deren Auflösung innerhalb der EDA vorantrieben, diejenigen waren, die argumentierten, dass die Kommunistische Partei nicht ganz im Einklang mit den Beschlüssen der 20. Parteitag der KPdSU stehe. Sie stellten sich in einen Kurs gegen die Strategie der Stufen, was sie aber auf einem reformistischen Weg taten, denn sie lehnten gleichzeitig die Gesetzmäßigkeiten der sozialistischen Revolution ab.

Die Auswirkungen der Strategie der Internationalen Kommunistischen Bewegung auf die Gestaltung der Politik der KKE

Im Geschichtsband wird eingeschätzt, dass diese Probleme nicht nur die KKE, sondern auch eine Reihe von anderen kommunistischen Parteien der kapitalistischen Länder betrafen. Zu beachten ist, dass sich ihre Strategie allmählich von den Gesetzmäßigkeiten der sozialistischen Revolution entfernte, indem man die Aktivitäten auf die Verteidigung der bürgerlich-demokratischen Freiheiten und des eigenen Landes im Rahmen des imperialistischen Systems begrenzte und dem unterordnete.

Die kommunistische Bewegung in den kapitalistischen Ländern war zwar ein Faktor für die Entwicklung von Arbeitskämpfen, konnte aber nicht wirklich die Rolle der Arbeiteravantgarde einnehmen, um letztlich den Kampf für die Arbeitermacht zu organisieren. Die Schwäche in der Erarbeitung einer revolutionären Strategie hatte sich bereits während des Zweiten Weltkriegs gezeigt und wirkte danach weiter. Zum Beispiel fanden sich Grundpositionen des später so genannten „Eurokommunismus“ bereits im Programm der Kommunistischen Partei Großbritanniens von 1950 – 1951. Eine Reihe von kommunistischen Parteien – und sogar in führenden imperialistischen Ländern  – gestaltete auch nach dem Krieg eine Politik der antifaschistischen Fronten in Verbindung mit der Verteidigung der nationalen Unabhängigkeit ihres Landes. Sie behaupteten, dass diese Unabhängigkeit – wegen der Unterordnung von Teilen der inländischen Bourgeoisie – vom US-Imperialismus bedroht sei.

Trotz der Tatsache, dass die kommunistischen Parteien der kapitalistischen Länder in der Regel die Notwendigkeit des Sozialismus erklärten, setzten sie sich in der Gestaltung ihrer Politik Regierungsziele, die objektiv nicht der strategischen Konzentration und Organisation der Kräfte zur allgemeinen allseitigen Konfrontation und zum Bruch mit der bürgerlichen Macht unter den Bedingungen der allgemeinen wirtschaftlichen und politischen Krise in ihrem Land dienten. Starke kommunistische Parteien in Westeuropa erfuhren eine Sozialdemokratisierung in Form des „Eurokommunismus“. Sie waren schwach gegenüber der Flexibilität der Bourgeoisie, Allianzen zu bilden, um ihre Macht zu verteidigen und ihre internationalen Allianzen rechtzeitig wiederaufzubauen. Die eurokommunistischen Parteien  setzten sich das politische Ziel, „anti-monopolistische demokratische Regierungen“ durch reine parlamentarische Reformen oder als Zwischenstufe im revolutionären Prozess zu bilden. Das antiimperialistische, antimonopolistische Element des Kampfes der KPs erlangte – losgelöst vom Kampf für die Arbeitermacht – objektiv utopischen Charakter. Sogar das Ziel der Vergesellschaftung der Produktionsmittel in Bereichen strategischer Bedeutung wurde nicht mit dem Ziel des Sturzes der Macht des Kapitals verbunden. Die KPs gingen Allianzen ein, die die Positionen der Sozialdemokratie in der Arbeiterklasse stärkten, was die Integrierung der Arbeiterbewegung in strategischen Entscheidungen der Bourgeoisie und den Verlust an Massenhaftigkeit zur Folge hatte.

Die historische Erfahrung hat gezeigt, wie illusorisch die Auffassung vom Übergang zum Sozialismus durch die sogenannte Erweiterung der bürgerlichen Demokratie war. Die hohen Wahlergebnisse von bestimmten Parteien – in Frankreich und in Italien zum Beispiel – bestätigten die Erwartungen des parlamentarischen Übergangs zum Sozialismus nicht. Stattdessen nährten sie die opportunistischen Abweichungen, die die kommunistische Bewegung schließlich aushöhlten. Im Laufe der Zeit folgten viele KPs den Weg der Klassenzusammenarbeit auch im Rahmen der Gewerkschaftsbewegung.

Wir sind der Meinung, dass die Beteiligung von kommunistischen Kräften an den Regierungen Prodi, D’Alema, Jospin und anderen die natürliche Weiterentwicklung des bisherigen Verlaufs der jeweiligen kommunistischen Parteien darstellten. Diese Regierungen übernahmen die Verwaltung des Kapitalismus. Die Regierungen Jospin und D’Alema nahmen sogar an der Bombardierung Jugoslawiens unter dem imperialistischen Vorwand der ethnischen Säuberungen in diesem Land teil. Sie alle befürworteten antisoziale Maßnahmen und zerbrachen die Gewerkschaftsbewegung in ihren Ländern.

Man kann mit Sicherheit davon ausgehen, dass die derzeitige negative Lage der Arbeiterbewegung in den EU-Ländern in der Phase der starken Zuspitzung der inneren Widersprüche des Imperialismus und der kapitalistischen Wirtschaftskrise das Ergebnis dieser Entwicklung ist.

Die Teilnahme von KPs an bürgerlichen Regierungen bestätigt die Richtigkeit der Position der Kommunistischen Partei auch bei den Wahlen vom 6. Mai und vom 17. Juni 2012, als sie sich gegen eine Teilnahme an einer so genannten „Regierung der Linken“ aussprach. Das Gegenteil würde bedeuten, dass die Kommunistische Partei ihre Strategie für den Sozialismus aufgäbe und eine andere strategische Option übernähme, nämlich die des kapitalistischen System- und Krisenmanagements auf Kosten der Arbeiterklasse und der armen Volksschichten. Die Taktik muss der Strategie dienen, anstatt sie zu untergraben.

Ein schwerer Fehler war auch die Unterscheidung von rechter und linker Sozialdemokratie, oder auch die Trennung der Parteibasis von der Führung der Sozialdemokratie, deren konterrevolutionäre Rolle sowohl im Ersten Weltkrieg als auch in ihrer Positionierung gegenüber den proletarischen Revolutionen in Deutschland und anderswo klar ersichtlich worden war. Die historischen Entwicklungen haben gezeigt, dass der Großteil der Volksbasis der anderen Parteien durch die Verschärfung des Klassenkampfes und durch eine mächtige ideologische Auseinandersetzung mit der bürgerlichen Politik und dem Opportunismus gewonnen wird.

Eine entscheidende Frage – das gründliche Studium der kapitalistischen Entwicklung in jedem Land

Die KKE ist nicht Teil des sogenannten „Eurokommunismus“ geworden. Sie fand die Kraft, sich von ihm zu trennen und ihm in langjähriger Auseinandersetzung auf der Grundlage der Verteidigung der allgemeinen Grundsätze des Marxismus/Leninismus die Stirn zu bieten. Ebenfalls stellte sich die KKE gegen die Bindung Griechenlands an die Europäische Wirtschaftsgemeinschaft (EWG), eine Position, die sie beim Beitritt Griechenlands in die EWG und später dann in die EU beibehielt. Zu beachten ist, dass sich auch die EDA gegen die Bindung Griechenlands an die EWG äußerte. Sie charakterisierte die EWG als „Grube der Löwen“. Die EU ist ein Bündnis des Kapitals. Sie lässt sich weder in eine sozialgesinnte Richtung reformieren noch kann sie zu einem „Europa der Nationen“  werden, was durch die neuesten Entwicklungen in der EU bestätigt wird.

Die Kommunistische Partei beharrt auf diese Position und schätzt, dass es keine sozial-gesinnte Politik in der EU geben kann. Erforderlich sind: die Loslösung von der EU, der gleichzeitige Kampf in jedem Land um den Sturz der Macht der Monopole und deren Vergesellschaftung, die einseitige Streichung der Schulden seitens der Arbeiter- und Volksmacht. Gerade unter den Bedingungen der kapitalistischen Wirtschaftskrise gibt es nur zwei Wege: Entweder zahlen für die Krise die Arbeiterklasse und die armen Volksschichten oder die großen Unternehmensgruppen. Die zweite Möglichkeit ist direkt verknüpft mit der Bildung eines großen soziopolitischen Bündnisses, das die bürgerliche Macht stürzen wird. Einen Zwischenweg gibt es nicht. Die Krise in der Eurozone ist keine Schuldenkrise und auch kein Produkt des sogenannten neoliberalen Managements. Sie ist eine Krise der Überakkumulation des Kapitals. Für einen Ausweg zu Gunsten des Kapitals sind sowohl konservative als auch sozialdemokratische und linke Parteien aktiv.

Die Analysen des griechischen Kapitalismus, die die Kommunistische Partei Griechenlands in den 1950er und 1960er Jahren vornahm, stimmen nicht mit der Entwicklung der kapitalistischen Wirtschaft überein, die damals erhebliche Fortschritte machte.

Der 8. Parteitag der Kommunistischen Partei (1961) beschrieb Griechenland wie folgt: „ … die landwirtschaftliche Komponente der großen imperialistischen Staaten des Westens (…) unterentwickeltes kapitalistisches Land, im Grunde landwirtschaftlich, mit einem mäßigen Wachstum der Industrie, mit bestimmten halbfeudalen Rückständen ( …) Die bevorstehende Revolution in Griechenland wird daher antiimperialistisch – demokratisch sein“.

In dieser Richtung definierte sie die Parteitaktik: eine Zusammenarbeit der „demokratischen Kräfte“, um die Voraussetzungen für die Erreichung des obigen Ziels zu schaffen.

Die kapitalistische Entwicklung in Griechenland verwarf die Vorstellung, dass der ausländische Fakor ein Hindernis sei, wie auch die Vorstellung, dass sich die Bourgeoisie nicht für die Entwicklung der Produktivkräfte interessiere. Die kapitalistische Entwicklung in Griechenland wurde vor allem durch interne Akkumulation des Kapitals angeheizt. Sie stützte sich auf eine neue Orientierung des Staates und eine entsprechende Konfiguration der staatlichen Infrastruktur zur Entwicklung der Industrie. Der Zufluss von ausländischem Kapital war nicht besonders hoch, mit Ausnahme der späten 40er und frühen 50er Jahre (der Marshallplan, die Truman-Doktrin). Aber die meisten dieser Mittel wurden zur Stärkung der staatlichen Repression gegen die Demokratische Armee Griechenlands und allgemein zur Festigung des bürgerlichen Staates verwendet.

Ein Ergebnis der kapitalistischen Entwicklung war auch die relative Verbesserung des Arbeitseinkommens und des Lebensstandards, die unbestreitbar auch durch die Volkskämpfe zustande kam. Sicherlich war es die Phase der kapitalistischen Entwicklung, in der das Kapital Möglichkeiten zu Zugeständnissen hatte, was durch die Schaffung des so genannten „Wohlfahrtsstaates“ zum Ausdruck kam. Im Gegensatz dazu gibt es diesen Raum in der aktuellen Phase nicht mehr – nicht nur wegen der kapitalistischen Wirtschaftskrise.

Gleichzeitig erweiterte sich in dem Zeitraum die Schicht der Beamten. Wesentliche Teile der ländlichen Bevölkerung zogen in die städtischen Zentren, andere wurden zur Migration in höher entwickelte kapitalistische Länder gezwungen. Neue Mittelschichten formten sich. Auf dieser materiellen Grundlage verstärkte sich in der Partei nicht nur der Reformismus, sondern auch der Opportunismus.

Gerade unter den Bedingungen der kapitalistischen Wirtschaftskrise, wie der jetzigen, rebellieren die Mittelschichten um ihre wirtschaftliche Position zu erhalten, empören sich und wenden sich gegen die Regierungspolitik. Utopischerweise  ersuchen sie eine Rückkehr in die Vergangenheit, die eine höhere Überlebensrate dieser Schichten erlaubte. Politisch vertreten sie einen Monopolkapitalismus, der durch eine Regierung kontolliert wird, die die Interessen der kleinen Eigentümer an Produktionsmittel und die begrenzte Akkumulation stärker berücksichtigt als die Interessen der Großbesitzer, der Monopole. Auf diese Weise werden sie zu Trägern einer Ideologie und einer politischen Praxis, die utopisch versuchen die Monopolkonkurrenz zu mildern oder die Entwicklungsrichtung des Kapitalismus nach hinten in die vormonopolistische Periode zurückzudrehen. Sich der Arbeiterklasse nähernd oder nach ihrer Proletarisierung aus den Reihen der Arbeiterklasse werden diese Schichten zu Trägern einer Politik, die Druck auf die Arbeiterbewegung ausübt, sich den Positionen der „Humanisierung“ des Kapitalismus anzupassen.

Nützliche Schlussfolgerungen für die Gegenwart

Der Druck seitens des Opportunismus ist kein Phänomen, das nur bestimmte Haltungen von Personen betrifft, die die Last des Klassenkampfes nicht ertragen können. Er ist eine ideologisch-politische Strömung, ein Produkt der historischen Epoche, des Imperialismus, des heutigen Kapitalismus. Er basiert auf dem Sich-Kaufen-Lassen von Teilen der Arbeiterklasse durch die Monopole mit Hilfe vielfältiger Mechanismen der Integration und Bestechung, auf der Erweiterung der Arbeiterreihen durch Gruppen kleinbürgerlicher Herkunft. Deshalb ist der Kampf gegen den Opportunismus eng mit dem Kampf gegen den Kapitalismus, dem imperialistischen Stadium seiner Entwicklung, verwachsen, wie es Lenin formulierte. Zumal er – unabhängig von den Absichten seines Trägers – ein Hindernis in der politischen Emanzipation der Arbeiterklasse von der bürgerlichen Politik darstellt und sich der ideologisch-politischen Selbstständigkeit der Arbeiterbewegung widersetzt.

Der Kampf gegen den Opportunismus hängt nicht davon ab, ob er (der Opportunismus)  als ein gesonderter politischer Träger organisiert ist oder nicht, hängt nicht von seinem parlamentarischen oder gewerkschaftlichen Einfluss ab. Er ist keine zusätzliche, nebensächliche Aufgabe, oder nur eine Teilaufgabe des Kampfes mit der bürgerlichen Politik in allen ihren Formen und Facetten. Speziell in Zeiten wie dieser, wenn die Unzufriedenheit und die Proteste des Volkes steigen, besteht die Gefahr der Umzingelung durch alternative Szenarien des bürgerlichen Managements. Der Versuch der Radikalisierung und der Befreiung der Arbeiter- und Volksmassen von der bürgerlichen Politik setzt die offene Auseinandersetzung mit dem Opportunismus voraus.

Natürlich zeigt die historische Erfahrung, dass die Entstehung und Entfaltung des Opportunismus in den KPs nicht das Werk einer einmaligen Aktion ist. Faktoren der Stärkung des Opportunismus waren sowohl theoretische Schwächen, Fehler auf strategischer Ebene, die nicht erkannt und beseitigt wurden, als auch Widersprüche seitens der Führungen, die nachweislich nicht von Anpassungs- , Kompromiss- und Unterwerfungsbereitschaft beseelt waren und sogar die bewaffnete Auseinandersetzung mit dem bürgerlichen Gegner führten.

Die Geschichte hat gezeigt, dass die nicht rechtzeitige Auseinandersetzung mit dem Opportunismus zur Degeneration der Partei, zu ihrer sozialdemokratischen Entartung, zum Verlust ihres historischen Weiterbestehens führt, was u.a. mit KPs Westeuropas, z.B. Frankreichs und Italiens, passierte. Im Gegenteil garantiert die Auseinandersetzung mit dem Opportunismus die Aufrechterhaltung des kommunistischen Charakters der Partei. Zum Beispiel führte die Auseinandersetzung auf dem 12. Plenum des ZK der KKE 1968 zum Abgang der reformistischen Gruppe, die im Grunde die Umwandlung der Partei in ein „eurokommunistisches“ Gebilde verfolgte. Sie stellte den organisatorischen Wiederaufbau der Partei sicher, führte zur Gründung der Kommunistischen Jugend (KNE). Trotzdem konnte sie das grundlegende Problem nicht bekämpfen bzw. gar die Auseinandersetzung damit auf die Tagesordnung setzen, nämlich die Frage der Parteistrategie, eine Tatsache, die den späteren Aufstieg des Opportunismus in den Reihen der Partei zur Folge hatte.

Auf der anderen Seite zwangen die parteiinterne Krise 1990-1991, die unter den Bedingungen der schweren internationalen Niederlage der kommunistischen Bewegung stattfand, und der Prozess der Neuaufbaus nach der Spaltung, die Partei ihren Weg selbstkritisch zu beurteilen. Sie musste einige Fragen, wie die Stellung des griechischen Kapitalismus im internationalen imperialistischen System und die Beziehung dieser Stellung zum Charakter der Revolution und der Macht, oder die Gründe, die 1989 – 1991 zu den konterrevolutionären Ereignissen in der UdSSR und in den sozialistischen Staaten Europas führten, studieren und tiefgehende Schlussfolgerungen ziehen, die in ihrem programmatischen Verständnis Ausdruck finden.

 

Quelle: International Communist Review, Issue 4, 2014

Im Text wird verwiesen auf: ESSAY ON THE HISTORY OF THE KKE, 1949-1968, Volume 2, second ed. p 470. Sychroni Epohi, Athens, 2011.

 

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