Der Historiker Kurt Gossweiler äußert sich über DDR
Warum reden wir hier immer wieder über die DDR? Warum erwähnen wir Dinge und Ereignisse, die bereits mehr als ein Vierteljahrhundert vorbei sind? Ist das nur Nostalgie? Nein, ganz sicher nicht. Die DDR war das Beste, was das deutsche Volk in seiner wechselhaften Geschichte hervorgebracht hat. Gerade jetzt häufen sich wieder einmal die Lügen über unser damaliges sozialistisches Vaterland. Doch es gibt auch nachdenkliche Stimmen. Die Wahrheit läßt sich eben nicht beseitigen. Zahlreiche DDR-Wissenschaftler haben sich mit Fakten und eigenen Erlebnissen über die DDR geäußert. So zum Beispiel der Historiker Dr. Kurt Gossweiler. In seinen Schriften und Veröffentlichungen setzte er sich nicht nur mit dem schmählichen Untergang des Sozialismus auseinander, erforschte deren Ursachen und Hintergründe, sondern charakterisierte auch das Leben in der DDR, das sich kraß von der heute herrschenden Ausbeutergesellschaft unterschied. Kurt Gossweiler schreibt:
Schon jetzt halten Schüler von heute uns ehemalige DDR-Bürger für Märchenerzähler, wenn wir ihnen über alltägliche Selbstverständlichkeiten aus dem DDR-Alltag berichten (nach Hermann Leihkauf):
In der DDR
- gab es ein Recht auf Arbeit und keine Arbeitslosigkeit.
- hatte jeder Jugendliche eine kostenlose Schulbildung.
- war das Hochschul-Studium kostenlos und die meisten Studenten erhielten Stipendien, die nicht zurückgezahlt werden mußten.
- erhielt jeder Jugendliche nach Schulabschluß eine Lehrstelle.
- gab es nur eine Krankenkasse für alle; deshalb waren die Krankenkassenbeiträge niedrig.
- zahlten die Krankenkassen jede Arztbehandlung und jeden Krankenhausaufenthalt und alle vom Arzt verordneten Medikamente.
- lag die Sozialversicherung in den Händen der Gewerkschaften.
- wurden die Löhne und die Arbeitsbedingungen im Rahmen des Arbeitsgesetzbuches durch die Betriebsleitungen und die Gewerkschaften gemeinsam festgelegt, d.h., die Arbeiter haben über ihre Gewerkschaft dabei mitentschieden.
- war gesetzlich festgelegt: Ob Mann oder Frau – gleicher Lohn für gleiche Arbeit!
- lag der Wohnungsbau in den Händen des Staates, der Kommunen oder der Betriebe und Genossenschaften. Er diente nicht der Profiterwirtschaftung, sondern der Schaffung von Wohnraum für die Bevölkerung.
- lagen deshalb die Mietkosten weit unter denen in der BRD.
- gab es keine Obdachlosen.
- gab es auch eine Armee, die Nationale Volksarmee (NVA). Aber die war nur zur Verteidigung gegen Angriffe da, nicht dazu, Angriffskriege zu führen, wie die Bundeswehr, die Angriffskriege geführt hat in Jugoslawien, in Afghanistan und dort noch immer Krieg führt. Die NVA dagegen hat niemals Krieg geführt; denn die DDR-Regierung hielt sich an das von ihr geprägte Wort: Von deutschem Boden darf nie wieder Krieg ausgehen!
Und weiter schreibt Dr. Kurt Gossweiler über die DDR:
1.In der DDR gab es ein Recht auf Arbeit und keine Arbeitslosigkeit.
In der DDR war gesetzlich festgelegt: Ob Mann oder Frau — gleicher Lohn für gleiche Arbeit! Die Förderung der Frauen, besonders in der beruflichen Qualifizierung, war gesellschaftliche und staatliche Aufgabe. Zunehmend bis zu 92 Prozent aller Frauen im arbeitsfähigen Alter waren berufstätig. Das war möglich, weil praktisch alle Kinder zwischen drei und sechs Jahren in Kindergärten von Fachkräften gegen ein geringes Entgelt betreut und verpflegt wurden. Die älteren Kinder bis zur vierten Klasse hatten die Möglichkeit, ihre Freizeit in betreuten Kinderhorten zu verbringen. Auch die Kinder bis zu drei Jahren konnten auf Wunsch der Familien tagsüber in Kinderkrippen betreut werden.
2.In der DDR hatte jeder Jugendliche eine kostenlose Schulbildung.
In der DDR war das Hochschulstudium kostenlos und die meisten Studenten erhielten Stipendien, die nicht zurückgezahlt werden mußten. Die Bildungsstätten standen jedermann offen. Das einheitliche sozialistische Bildungssystem gewährleistete jedem Bürger eine internationalen Ansprüchen genügende kontinuierliche Erziehung, Bildung und Weiterbildung. Es bestand Chancengleichheit und die freie Wahl des Bildungsweges. In der Deutschen Demokratischen Republik bestand allgemeine zehnjährige Oberschulpflicht, die durch den Besuch der zehnklassigen allgemeinbildenden polytechnischen Oberschule zu erfüllen war. Alle Jugendlichen hatten das Recht und die Pflicht, einen Beruf zu erlernen. Jeder Jugendliche bekam nach Schulabschluß eine Lehrstelle. Mit der erweiterten polytechnischen Oberschule sicherte der Staat den Übergang zur nächst höheren Bildungsstufe bis zu den höchsten Bildungsstätten, den Universitäten und Hochschulen. Es bestand Schulgeld- und Lernmittelfreiheit. 1988/89 hatten in der DDR von den 8,9 Millionen Gesamtbeschäftigten sieben Millionen (79,4 %) eine abgeschlossene berufliche Ausbildung; darunter mit Hochschulabschluß 630.000, mit Fachschulabschluß 1,1 Millionen, mit Meisterabschluß 330.000 und mit Facharbeiterabschluß 4,8 Millionen. Damit wurde – zum bisher ersten und einzigen Mal in der deutschen Geschichte – das Recht auf Arbeit, Bildung und Ausbildung verwirklicht.
3.Die Grundsätze der Gesundheitspolitik waren in der Verfassung der DDR verankert.
Nach Artikel 35 der Verfassung hatte jeder Bürger das Recht auf Schutz seiner Gesundheit und Arbeitskraft. In der DDR gab es nur eine Krankenkasse für alle; deshalb waren die Krankenkassenbeiträge niedrig. In der DDR zahlten die Krankenkassen jede Arztbehandlung und jeden Krankenhausaufenthalt und alle vom Arzt verordneten Medikamente. In DDR lag die Sozialversicherung in den Händen der Gewerkschaften. Patienten waren bei Inanspruchnahme des Gesundheitswesens der DDR Praxisgebühr, Beteiligung an den Medikamentenkosten oder an den Kosten für Heilbehandlungen fremd. Es bestand freie Arztwahl, jeder Bürger konnte den Arzt seines Vertrauens wählen. Aus dem Staatshaushalt wurden sowohl ein großer Teil der Sozialversicherung als auch der Einrichtungen des Gesundheitswesens finanziert. Im Verlaufe der vierzig Jahre DDR erhöhte sich die durchschnittliche Lebenserwartung bei Männern um sechs Jahre und bei Frauen um acht Jahre.
4.Die Arbeitsbedingungen in der DDR waren gerecht geregelt.
In der DDR wurden die Löhne und die Arbeitsbedingungen im Rahmen des Arbeitsgesetzbuches durch die Betriebsleitungen und die Gewerkschaften gemeinsam festgelegt, d.h. die Arbeiter haben über ihre Gewerkschaft dabei mitentschieden.
5.Alle Bürger hatten das Recht auf Teilnahme am kulturellen Leben.
Die Teilnahme der Bürger am kulturellen Leben, an Körperkultur und Sport sowie die Feriengestaltung wurden durch den Staat und die Gesellschaft allseitig – auch finanziell – gefördert. Bei Olympiaden, Welt- und Europameisterschaften gehörten DDR-Sportler zu den Spitzenathleten. Es nahmen 1883 Sportlerinnen und Sportler an acht olympischen Sommerspielen und 440 Sportlerinnen und Sportler an neun olympischen Winterspielen teil. Sie gewannen 572 Medaillen, davon 207 in Gold, 192 in Silber und 177 in Bronze. Sie errangen in verschiedenen Sportarten 713 Weltmeister- und 697 Europameistertitel.
6.In der DDR lag der Wohnungsbau in den Händen des Staates, der Kommunen oder der Betriebe und Genossenschaften.
Er diente nicht der Profiterwirtschaftung, sondern der Schaffung von Wohnraum für die Bevölkerung. Der Staat war durch die Verfassung verpflichtet, das Recht auf Wohnraum durch die Förderung des Wohnungsbaus, die Werterhaltung vorhandenen Wohnraumes und die öffentliche Kontrolle über die gerechte Verteilung des Wohnraumes zu verwirklichen. Ein Grundprinzip blieb die Beibehaltung der Mieten auf dem Niveau der Stopp-Preise von 1944. Vom berechneten Aufwand für die Bewirtschaftung und die Erhaltung von einem Quadratmeter des volkseigenen Wohnungsbestandes in Höhe von drei Mark wurden vom Bürger eine Mark und aus dem Staatshaushalt zwei Mark bezahlt. Eine Drei-Zimmer-Neubauwohnung einschließlich Warmwasser und Heizung in einem Wohnungsneubau war über 40 Jahre konstant mit einem Mietaufwand von 110 bis 150 Mark verbunden. Für die gleiche Wohnung wird heute nach mehrfachen Mieterhöhungen eine Miete in Höhe von fast 500 Euro verlangt. In der DDR lagen die Mietkosten weit unter denen in der BRD. In der DDR gab es keine Obdachlosen.
7.Staatlich kontrollierte Preispolitik diente der Verbesserung des Lebensstandardes.
Mit den auf der Grundlage des Leistungsprinzips steigenden Einkommen der Bevölkerung und mit einer vom Staat kontrollierten Preispolitik für Erzeugnisse des Grundbedarfs wurde die Versorgung der Bevölkerung planmäßig und kontinuierlich verbessert. Die Sicherung stabiler Preise für Waren des Grundbedarfs, Tarife und Dienstleistungen für die Bevölkerung ermöglichte den Verbrauch wichtiger Lebensmittel durch alle Einkommensgruppen. Prinzip blieb bis zum Ende der DDR die Beibehaltung der Preise für den Grundbedarf der Bevölkerung auf dem Niveau der Stopp-Preise von 1944 oder sogar von 1936. Bei Grundnahrungsmitteln entfielen auf 100 Mark Einzelhandelsverkaufspreis 30 Mark an Stützungen aus dem Staatshaushalt.
8.Keine Existenzängste, denn die Lebensverhältnisse waren gesichert.
Die Zuwendungen für die Bevölkerung aus dem Staatshaushalt im Jahre 1988 für Bildung, Wohnung, Gesundheit, Kultur, Sport, Erholungswesen und Subventionen betrugen 110,7 Milliarden Mark und hatten einen Anteil an den Ausgaben des Staatshaushaltes von 41 Prozent.
9.Die Volksarmee diente der Sicherung des Friedens
In der DDR gab es auch eine Armee, die Nationale Volksarmee. Aber die war nur zur Verteidigung gegen Angriffe da, nicht zur Führung von Angriffskriegen, wie sie die Bundeswehr gegen Jugoslawien geführt hat und gegen Afghanistan noch immer führt. Die NVA führte niemals Krieg, denn die DDR-Regierung hielt sich an das von ihr geprägte Wort: Von deutschem Boden darf nie wieder Krieg ausgehen!
Es klingt wie ein Traum – doch es war Wirklichkeit!
Dies alles, was in den Ohren von BRD-Bürgern wie eine Liste von unerfüllbaren Wünschen klingt, das war für „gelernte DDR-Bürger“ so selbstverständlich, daß sie es gar nicht richtig zu schätzen wußten und mehrheitlich meinten, das könnten sie selbstverständlich in die „Vereinigung“ mitnehmen.
Je länger und für immer mehr das alles gegen ein Leben als „Hartzi“ und „Ein-Euro Jobber“, als Arbeitsloser oder vergeblicher Lehrstellenbewerber eingetauscht wurde, desto mehr wächst die Zahl derer, denen bewußt wird, daß sie einen ganz miserablen Tausch gemacht haben, und um so mehr spricht sich auch bei den „Wessis“ – vor allem bei denen, die sich in gleicher Situation befinden – herum, daß das offizielle und aus allen Kanälen verbreitete DDR-Bild ein bösartiges, verlogenes Zerrbild ist.
Die DDR war im Vergleich mit der Bundesrepublik ein armes Land, aber im Umgang der Menschen miteinander an menschlicher Nähe und Wärme um vieles reicher.
Ich habe zu DDR-Zeiten immer wieder erlebt, daß ältere DDR-Bürger und Bürgerinnen, die von ihrem „Privileg“ Gebrauch gemacht hatten, in den „Westen“ zu Verwandten reisen zu dürfen, nach ihrer Rückkehr lang und ausführlich davon schwärmten, was es dort alles in den Geschäften zu kaufen gäbe, und wie billig dort Obst und Gemüse sei, und wie schick ihre Verwandten gekleidet und wie schmuck die Häuser verputzt seien. Wenn ich sie dann aber fragte, ob sie denn für dauernd drüben lebten wollten, dann kam übereinstimmend fast immer die gleiche verneinende Antwort, und auf die Frage: „Ja, warum denn nicht?“ die gleiche Antwort: „Ja, so schön das alles auch ist – aber irgendwie ist das Klima zwischen den Menschen dort kälter. Als ich auf der Rückfahrt über die Grenze fuhr und wieder in der DDR war – da habe ich richtig froh aufgeatmet: Jetzt bin ich wieder richtig zu Hause!“
Quelle:
Horst Jäkel (Hrsg.), DDR unauslöschbar, GNN-Verlag Schkeuditz, 2008, S.20-22; leicht gekürzt. (Dr. Hermann Leihkauf war der ehemalige Stellvertretende Vorsitzende der Staatlichen Plankommission der DDR.)