German Foreign Policy: Der deutsche Beitrag zur europäischen Rechten

 
In der rechtsgerichteten Alternative für Deutschland (AfD) entbrennt nach ihrem Erfolg bei den Europawahlen eine Debatte über eine Zusammenarbeit mit der ebenfalls rechtsgerichteten britischen UKIP. Während die Parteispitze um Parteichef Bernd Lucke die Kooperation mit den britischen Tories favorisiert, um nicht mit rassistischen Kreisen der äußersten Rechten in Verbindung gebracht zu werden, drängen Teile der AfD-Basis und der mittleren Funktionärsebene massiv nach rechts. Nicht wenige würden sich sogar eine Zusammenarbeit mit dem französischen Front National wünschen, berichtet ein AfD-Bundesvorstandsmitglied. Bisher hat die AfD-Spitze darauf abgezielt, zwar mit rechten Parolen Stimmpotenzial zu mobilisieren, offene Kooperationen mit der extremen Rechten jedoch zu meiden. Dabei sind nicht nur ultrarechte Kreise längst in der Partei aktiv; auch äußern AfD-Führungspersonen, die ihrerseits dem deutschen Establishment zuzurechnen sind, antidemokratische Positionen – bis hin zur Forderung nach einer Abschaffung des Parlaments.
 

Das Elitenprojekt AfD
Mit sieben Abgeordneten wird die Alternative für Deutschland (AfD), die bei den Europawahlen sieben Prozent erzielte, künftig im Europaparlament vertreten sein. Drei von ihnen – die Ökonomie-Professoren Bernd Lucke und Joachim Starbatty sowie der ehemalige Präsident des Bundesverbandes der Deutschen Industrie (BDI) Hans-Olaf Henkel – entstammen einem Segment der deutschen Wirtschaftseliten, und zwar demjenigen, das den Euro für den deutschen Interessen nicht mehr zweckdienlich hält. Was an seine Stelle treten soll, darüber herrscht keine Einigkeit. Lucke favorisiert die Entfernung der Staaten Südeuropas aus der Währungsunion; Henkel plädiert für den Ausstieg der Bundesrepublik und für die Schaffung eines “Nord-Euro” gemeinsam mit Österreich, den Niederlanden und Finnland. Dritte sprechen sich für die Rückkehr zur D-Mark aus. Unbeschadet derartiger Differenzen wird die AfD als gemeinsames Instrument genutzt, um die Abkehr vom Euro in seiner heutigen Form zu forcieren. Um bei Wahlen genügend Stimmpotenzial mobilisieren zu können, ist die AfD von Anfang an, dabei älteren deutschen Konzeptionen folgend [1], darauf bedacht gewesen, auch ultrarechte Milieus an sich zu binden.
 

Stichwortgeber
Exemplarisch beobachten ließ sich dies während des Europawahlkampfs an der breit vorgetragenen AfD-Forderung, “Einwanderung in die deutschen Sozialsysteme” zu verhindern. Die Forderung richtet sich gegen Migranten aus der verarmten globalen Peripherie; sie findet die Zustimmung der äußersten Rechten und ist geeignet, diese enger an die AfD zu binden. Zugleich zeigt sie, wie die AfD die Stichworte liefert, mit denen es möglich ist, bei Bedarf das gesamte Meinungsklima nach rechts zu verschieben. Die Abwehr von Armutsflüchtlingen wird auch von der Bundesregierung forciert (german-foreign-policy.com berichtete [2]); diese plant gegenwärtig, sogar Bürgern von EU-Mitgliedstaaten die Einreise in die Bundesrepublik zu untersagen, sofern sie zuvor vergeblich Sozialleistungen beantragt haben (“Sozialmissbrauch”). Die erwähnte AfD-Parole aufgreifend, äußerte die deutsche Kanzlerin einige Tage vor der Europawahl, “die EU” sei “keine Sozialunion”: Deutschland dürfe “Hartz IV nicht für EU-Bürger zahlen, die sich allein zur Arbeitssuche in Deutschland aufhalten”.[3]
 

Magdeburger Herrentag
Während die AfD-Führung darauf abzielt, ultrarechte Wähler für sich zu gewinnen, sucht sie zugleich die äußerste Rechte von Partei-Funktionärsposten fernzuhalten. Dies soll Image-Einbußen vermeiden, gelingt aber nur eingeschränkt. So wurde im April bekannt, dass das damalige Vorstandsmitglied der AfD Dresden Sören Oltersdorf am 22. März beim “Europakongress” der NPD-Nachwuchsorganisation “Junge Nationaldemokraten” anwesend war – und Utensilien in Händen hielt, die ihn als Mitglied des “Ordnerdiensts” erscheinen ließen.[4] Die AfD Dresden mühte sich, Oltersdorf zu halten, musste ihn schließlich jedoch fallenlassen. Wenige Tage vor der Europawahl kam heraus, dass ein AfD-Kandidat für den Stadtrat in Magdeburg, Jörg Alsleben, sich am 12. Mai 1994 an pogromartigen Ausschreitungen beteiligt hatte und dafür auch verurteilt worden war. An dem Tag hatten Neonazis mehrere Stunden lang Migranten durch Magdeburg gehetzt; die blutigen Ausschreitungen, von “Sieg Heil!”-Geschrei begleitet, machten als “Himmelfahrtskrawalle” oder “Magdeburger Herrentag” bundesweit Schlagzeilen. Noch 2012 wurde Alsleben bei einem Treffen mit dem damaligen Landesvorsitzenden der “Jungen Nationaldemokraten” in Sachsen-Anhalt und heutigen Bundesvorsitzenden, Andy Knape, beobachtet.[5] Als dies bekannt wurde, musste er von seiner AfD-Kandidatur Abstand nehmen.
 

Wie beim Ku-Klux-Klan
Dass die Beziehungen der AfD zur äußersten Rechten System haben, zeigen mehrere Recherchen der vergangenen Wochen. Demnach sind etwa eine ganze Reihe Aktivisten der eng vernetzten Deutschen Burschenschaft, eines Dachverbandes ultrarechter Studentenverbindungen, in die AfD eingetreten – und haben dort auf verschiedenen Ebenen Funktionen übernommen. Zu ihnen zählen ein Mitglied des AfD-Kreisverbandes Rhein-Sieg (Joachim Paul, Alte Breslauer Burschenschaft der Raczeks zu Bonn), ein AfD-Kommunalwahlkandidat aus Dresden (Gordon Engler, Aachen-Dresdner Burschenschaft Cheruscia), der stellvertretender Vorsitzende der Jungen Alternative in Nordrhein-Westfalen (Alexander Jungbluth, Alte Breslauer Burschenschaft der Raczeks zu Bonn) oder ein Mitarbeiter der AfD-Bundesgeschäftsstelle (Philipp Runge, Berliner Burschenschaft Gothia). Zum stellvertretenden Bundesvorsitzenden der Jungen Alternative hatte es Benjamin Nolte (Münchener Burschenschaft Danubia) gebracht, musste jedoch zurücktreten, nachdem bekannt geworden war, dass er während des “Burschentages” 2009 einen dunkelhäutigen Burschenschafter rassistisch beleidigt hatte.[6] Die Deutsche Burschenschaft hat in den letzten Jahren mit rechten Exzessen Schlagzeilen gemacht; so wurde bekannt, dass eines ihrer Mitglieder vor Jahren im Garten einer Burschenschaft ein Holzkreuz aufgestellt und es unter “Heil White Power”-Rufen verbrannte – ein Brauch des Ku-Klux-Klan. Er wurde wenig später zum Verbandsobmann für Jugendarbeit und Sport der Deutschen Burschenschaft gewählt (german-foreign-policy.com berichtete [7]).

Die Fraktionsfrage
Die Differenzen in der AfD werden im Europaparlament kaum verborgen bleiben. So will Parteichef Lucke die sieben AfD-Abgeordneten in die Fraktion der European Conservatives and Reformists (ECR) führen, der unter anderem die britischen Tories und die polnische Prawo i Sprawiedliwość (PiS) angehören. Dies ist in der Partei höchst umstritten. Starke Kräfte, zu denen der künftige AfD-Europaabgeordnete Markus Pretzell gehört, lehnen den ECR-Beitritt entschieden ab. Sowohl die “anti-deutschen Töne” der PiS als auch das Plädoyer der Tories für den EU-Beitritt der Türkei seien “mit der AfD nicht vereinbar”, erklärt Pretzell. Er ist vor kurzem gemeinsam mit dem Chef der United Kingdom Independence Party (UKIP), Nigel Farage, aufgetreten und befürwortet eine AfD-UKIP-Kooperation im Europaparlament. Der stellvertretende Bundessprecher der AfD Alexander Gauland wird sogar mit der Einschätzung zitiert, zahlreiche Mitglieder der AfD würden “enttäuscht” reagieren, schlösse man eine Zusammenarbeit mit dem französischen Front National aus.[8] Die rechten Milieus an der AfD-Basis, ursprünglich zur Vergrößerung des Stimmpotenzials bei Wahlen vorgesehen, beginnen inzwischen zu revoltieren. So ruft ein AfD-Kreisverband auf, per Urabstimmung zu beschließen, dass die AfD-Europaabgeordneten “eine Fraktion mit der United Kingdom Independence Party (Ukip)” bilden. Gleichzeitig soll der Beitritt zur ECR-Fraktion abgelehnt werden.[9]
 

Verzicht aufs Parlament
Die offen rechtslastigen Aktivitäten an der AfD-Basis und bei mittleren Funktionsträgern lassen oft übersehen, dass auch von Führungsfiguren der AfD aus dem deutschen Establishment antidemokratisches Gedankengut vertreten worden ist. So hat Konrad Adam, einer der drei AfD-Bundessprecher und jahrzentelang als Journalist für deutsche Leitmedien tätig (FAZ, Die Welt), vor wenigen Jahren den Vorschlag für diskussionswürdig erklärt, der “Masse der Arbeitslosen und der Rentner” das Wahlrecht zu entziehen (german-foreign-policy.com berichtete [10]). Der erst im März gewählte AfD-Landessprecher in NRW, Hermann Behrendt, hat ein Buch verfasst, in dem er die parlamentarische Demokratie offen in Frage stellt. Behrendt behauptet nicht nur, bisher sei es “Konsens aller Parteien” gewesen, “daß es so etwas wie einen nationalen Selbstbehauptungswillen nicht gibt, weil es ihn nach Auschwitz nicht geben durfte”: “Nicht wenige Politiker arbeiten offen oder klammheimlich an der Abschaffung Deutschlands.” Behrendt erklärt auch, sein “Traum”, eine “mandative Demokratie”, “rüttelt an den Prinzipien des Grundgesetzes”. Er will den Bundespräsidenten und die Regierung direkt wählen und in einem “Bürgerforum” einen “offenen Diskurs” führen lassen – begleitet von gelegentlichen “direktdemokratische(n) Eingriffsmöglichkeiten”. Für den Bundestag ist in seiner Vision kein Platz: Er verlangt ausdrücklich den “Verzicht auf ein Parlament”.[11]

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