Aspekte zum ‘Kostenfaktor’ – “Hartz IV” und Armut, soziale Ungleichheit und Gesundheit
Eine notwendige Vorbemerkung: In der sozialdarwinistischen Kapital- und Verwertungsgesellschaft der Bundesrepublik Deutschland sind arme Menschen außerhalb der Wertschöpfung der Lohnarbeit ein ‘wertloser’ (privat-)wirtschaftlicher und staatlicher Kostenfaktor.
Dies gilt so nicht – im bestehenden gesellschaftspolitischen Kontext – für die Privateigentümer an Produktionsmitteln, an privaten Unternehmen, Fabriken und Konzernen, nicht für die privaten Eigentümer und Erben von großen Vermögen, von privaten Miet- und Hausbesitz, nicht für Aktienbesitz und Beteiligungen etc..
Die kapitalistische und psychologisch-manipulatorisch geleugnete Existenz der imperialistischen Gesellschaftsordnung (nicht nur) in der Bundesrepublik Deutschland, ist die Gesellschaftsordnung der sozialökonomisch und gesellschaftspolitisch Reichen, ist die ökonomische und politische Herrschaftsordnung der Großeigentümer und Vermögenden (auch ‘ohne’ deren Arbeit), ist die ökonomische, soziale, militärische und politische Ordnung der großen Privatvermögenden aus der Wertschöpfung der werktätigen Bevölkerungsmehrheit – in abhängiger Lohnarbeit.
Der soziale und gesellschaftspolitische Nutzen der großen Privateigentümer, Reichen und Rentiers, die private Aneignung des gesamtgesellschaftlichen Reichtums durch eine sozialökonomische Minderheit, durch die differenzierte Bourgeoisie, die sozialökonomische Aristokratie und gesellschaftspolitische Administration, in der Bundesrepublik Deutschland, befindet sich außerhalb jeder medialen Thematisierung (Rundfunk, Presse, Fernsehen, einschließlich der Lernsysteme – der Bildung, Ausbildung und geistigen Manipulation etc.) und öffentlichen Diskussion. Die Gesamtheit der ‘anerkannten’ (privat-)wirtschaftlichen und staatlichen Einrichtungen und Institutionen (Erziehung, Bildung, Ausbildung, Arbeit und Soziales etc. – und Medien), dient ausschließlich der Herrschaftsabsicherung der bestehenden realen privaten Eigentumsverhältnisse und objektiven gesellschaftspolitischen Verhältnisse – auf allen Ebenen der kapitalistischen und imperialistischen Gesellschaftsordnung – in der Bundesrepublik Deutschland und Europa.
Gesundheitliche Auswirkungen von Einkommensungleichheit.
Einkommen eröffnet den Zugang zu den meisten Bedarfs- und Gebrauchsgütern und stellt damit eine wesentliche Voraussetzung für die Befriedigung individueller Grundbedürfnisse dar. Einkommen ist eine wichtige Grundlage für die soziale Absicherung. Einkommensnachteile verringern die lebensnotwendigen Konsummöglichkeiten und gehen mit einer Unterversorgung in anderen Bereichen, wie z. B. der Wohnsituation, der sozialen Integration und der kulturellen Teilhabe, einher.
Zusammenhänge zwischen Einkommen und Gesundheit werden durch zahlreiche wissenschaftliche Studien bestätigt. Vor allem von Armut betroffene Bevölkerungsschichten sind verstärkt von Krankheiten und körperlichen und psychischen Beschwerden betroffen, sie schätzen ihre eigene Gesundheit und gesundheitsbezogene Lebensqualität schlechter ein [trotz aller gegenteiliger Manipulationsversuche] und unterliegen einem höheren vorzeitigen Sterberisiko [und Sterben – bereits mehrfach wissenschaftlich nachgewiesen (‘erwünscht’) früher].
Wissenschaftliche Studien zeigen, dass die Lebenserwartung nicht mehr in Ländern und Regionen mit dem höchsten Wohlstandsniveau und Pro-Kopf-Einkommen am stärksten ansteigt, sondern in denen mit der geringsten Einkommensungleichheit.
Armutsrisiko und Einkommensungleichheit
Die Armutsrisikoquote hat in Deutschland deutlich zugenommen. In den ostdeutschen Bundesländern liegt sie deutlich höher als im alten Bundesgebiet (bereits 2003: 19,3% gegenüber 12,2%). Kinder, Jugendliche und junge Erwachsene sind überproportional durch Armut bedroht. Von den bis 15-Jährigen sind 15% einem Armutsrisiko ausgesetzt, in der Gruppe der 16- bis 24-Jährigen sind es 19,1%. In der Erwachsenenbevölkerung finden sich die höchsten Armutsrisikoquoten bei Arbeitslosen mit 40,9% und allein Erziehenden mit 35,4% [im Jahr 2003 – noch vor “Hartz IV” und ‘offizieller’ Finanz- und Weltwirtschaftskrise].
Einkommensdifferenzen im Krankheits- und Sterbegeschehen
In einkommensstarken Bevölkerungsgruppen überleben mehr Menschen bis ins hohe Alter als in den ökonomisch benachteiligten Schichten. Das Sterberisiko in prekären Wohlstandsgruppen ist signifikant erhöht. Anm.: In allen Einkommensgruppen, auch in der Armutsrisikogruppe, leben Frauen deutlich länger als Männer.
Inanspruchnahme der ärztlichen Versorgung
Obwohl die einkommensschwächere Bevölkerung verstärkt von Krankheiten und Beschwerden betroffen ist, sucht sie seltener einen Arzt auf: Die Armutsrisikogruppe geht seltener zum Arzt als die ökonomisch besser gestellte Vergleichsgruppe [privatisierte Eintritts-, Zusatz- und Gesundheitskosten].
Einkommensschwache Frauen und Männer vor allem im mittleren Lebensalter nehmen seltener ärztliche Hilfe in Anspruch. Frauen und Männer mit niedrigem Einkommen gehen im (wissenschaftlichen) Vergleich zu den Bessergestellten 1,4-mal seltener zu einem Arzt. [regierungs- und gesellschaftspolitisch erwünschte ‘Abgewöhnung’ – durch nicht bezahlbare Zuzahlungen].
Die wissenschaftlichen Ergebnisse des Robert Koch-Instituts belegen, bereits vor der gesellschaftspolitischen Einführung und (fortgesetzt geleugneten) sozialdarwinistischen Anwendungsmethodik von “Hartz IV”, dass mit der Einkommensposition sowohl ein unterschiedlicher Versorgungsbedarf als auch ein unterschiedliches [staatlich – sozialpolitisch erwünschtes] Inanspruchnahmeverhalten von ärztlichen Leistungen verbunden ist.
Einkommen und Gesundheit
Zwischen Einkommen, Gesundheit und Lebenserwartung besteht ein Zusammenhang: Je niedriger das Einkommen, desto schlechter die Gesundheit und das Gesundheitsverhalten. Gesundheitliche Probleme und Verhaltensrisiken kumulieren dementsprechend in der Armutsrisikogruppe [und können auch nicht durch spezialdemokratische ‘Kochrezepte’ für die Armen und durch Vortrags- und Diskussionsrunden der vermögenden Spieß- und Wohlstandsbürger über ihre “Hartz IV” und Armuts-Opfer hinwegdisputiert werden].
Einkommen hängt maßgeblich von der sozialen Herkunft, vom Bildungs- und beruflichen Qualifikationsniveau, dem Erwerbsstatus sowie der Stellung in der Berufswelt ab. Die Kumulation von Gesundheitsproblemen und Verhaltensrisiken in der Armutsrisikogruppe spricht für die Bedeutung der materiellen Entbehrung (Deprivation). Dies äußert sich zum einen in einer Unterversorgung mit existenziellen (basalen) Dingen des Lebens wie Wohnraum, Kleidung oder Ernährung. Für die Gesundheit und das Wohlbefinden sind zum anderen aber auch der Ausschluss von Konsum- und Erlebnismöglichkeiten, die für die Mehrheit der Bevölkerung (noch) selbstverständlich sind und zum gesellschaftlichen Lebensstandard gezählt werden, von Bedeutung [dieser Lebensanspruch für die Armen in der Reichtumsgesellschaft wird von den spezialdemokratischen ‘Gutmenschen’ und ‘Vermögenden’ (- ohne Leistung) unterschlagen etc]. Die Sicherung des Lebensunterhalts und des vorhandenen Lebensstandards gehen bei Menschen, die über geringe Erwerbs- und Einkommenschancen verfügen, mit erheblichen psychosozialen Belastungen einher.
Zwangsläufig überwiegt bei der Befriedigung individueller Bedürfnisse eine kurzfristige Orientierung [da hilft auch kein unsozialer standardisierter Hinweis des “JobCenter”, in der “Hartz IV”-Regelleistung sei bereits die ‘Ansparung’ berücksichtigt. – Hier sollten sich auch die lohnabhängigen Angestellten der “Bundesagentur für Arbeit” (BA) nach ihrer persönlichen sozialen Verantwortung fragen, bereits vor der Versendung von Mitteilungs-, Ablehnungs- und Mahnschreiben etc.].
Aus der (gesellschaftspolitisch, sozial- psychologisch erzwungenen) kurzfristigen Orientierung resultiert auch eine höhere Bereitschaft zu gesundheitsriskantem Verhalten. – Auch aus der hohen Stressbelastung resultiert ein gesundheitsriskantes Verhalten beim Rauchen oder Alkoholkonsum der unmittelbar zur Stressbewältigung beiträgt. Auch ungesunde Ernährungsweise und Bewegungsmangel resultiert aus Einkommensarmut – und aus psychosozialen Verhaltensreaktionen auf eine hohe Stressbelastung. [ – Anm.: Die Wissenschaft am Robert Koch-Institut ist von der (staatlichen) Bewilligung finanzieller Mittel abhängig, auch daher, aus bürgerlichen Wissenschafts-Opportunismus heraus, fehlt häufig eine klare inhaltlich verständliche Sprache bei der Präsentation zu den eindeutigen wissenschaftlichen Ergebnissen. Sprachliche Anpassung an mögliche Vorgaben dient lediglich der Verschleierung der unsozialen Realität]
Mit der Höhe des Einkommens vergrößert sich der Spielraum für eine gesunde Ernährung, Erholungsmöglichkeiten und direkte Käufe von Gesundheitsleistungen.
Neben der Einkommensposition auf die Gesundheit spielt auch die umgekehrte Wirkrichtung eine Rolle. Kranke und behinderte Menschen haben schlechtere Aussichten auf dem kapitalistischen Arbeitsmarkt. Sie unterliegen zugleich einem höheren Arbeitslosenrisiko und erzielen dementsprechend geringere Arbeitseinkommen. In Zeiten einer schlechten kapitalistischen Wirtschaftskonjunktur sinken die (Wieder-)Beschäftigungschancen gesundheitlich eingeschränkter Erwerbstätiger (der Arbeiter, Facharbeiter, Angestellten – aus Verwaltung, Leitung, Technik und Wissenschaft; der Frauen und Männer in abhängiger Lohnarbeit).
Vgl.: Armut, soziale Ungleichheit und Gesundheit. Von Dipl. Soz. Thomas Lampert, Dr. Thomas Ziese. Eine Expertise des Robert Koch-Instituts zum 2. Armuts- und Reichtumsbericht der Bundesregierung (2004/05) [bereits vor den unmittelbaren Auswirkungen der unsozialen Praxis von “Hartz IV”] – im Auftrag des Bundesministeriums für Gesundheit und Soziale Sicherung.
http://www.bmas.de/portal/988/property=pdf/armut__soziale__ungleichheit__und__gesundheit.pdf
11.04.2010 / Reinhold Schramm