Antwort des Genossen Norbert zum Thema “Krise”
Lieber Genosse Dorn
Als Verfasser des Beitrages „Zu den Ursachen von Wirtschaftskrisen in der „Marktwirtschaft““ möchte ich Dir für Deine Anmerkungen danken und gleichzeitig mit dieser mail antworten.
Kurz zur Vorgeschichte des Papiers: Der vorliegende Text ist eine stark überarbeitete und umstrukturierte Version eines Rohentwurfes, den eine Genossin zum Thema Wirtschaftskrisen im Kapitalismus verfasste. Im Vorfeld des Verschriftlichung stand die Aufgabe, ein inhaltliches Papier für die Krisendemo Berlin 2010 zu erstellen. Aus verschiedensten Gründen (u.a. Umfang, Zielgruppe, etc.) landete das Papier nicht in der Drucke sondern als Beitrag der AG Bildung auf der KI-Homepage. Das vorliegende Papier erhob zu keinem Zeitpunkt den Anspruch, eine umfassende Analyse zu Wirtschaftskrisen zu erarbeiten.
Doch nun zu Deinen Anmerkungen. Als ersten Hinweis gibst zu bedenken, daß eine Verteilung der Produkte sowohl im Kapitalismus als auch im Sozialismus über den Markt erfolgt und daher eine Differenzierung in kapitalistische und sozialistische Marktwirtschaft notwendig ist. Ergänzend stellst Du weiter fest, dass die Verteilung über den Markt in der sozialistischen Produktionsweise noch über eine „historisch lange“ Zeit erfolgen muss. Grundsätzlich gebe ich Dir diesbezüglich Recht, eine konkretere Charakterisierung der „Marktwirtschaft“ vorzunehmen. Bei einer entsprechenden Formulierung der Überschrift hätten wir in dem Text allerdings auf eine inhaltliche Begründung inkl. auf die Frage der Organisierung einer Ökonomie in der Übergangsperiode resp. Sozialismus eingehen müssen – das wäre tatsächlich über den Rahmen des ursprünglich als Flugblatt gedachten Textes hinausgegangen.
Weiterhin stellst Du in Deiner e-mail – entgegen den Aussagen des Textes – fest, dass der Preis jeder Ware (inkl. der Arbeitskraft) nach ihrem Wert, d.h. der durchschnittlich gesellschaftlich notwendigen Arbeitszeit bestimmt wird. Daraus lässt sich folgern, dass der Preis einer Ware identisch ist mit dem Wert einer Ware. Meines Erachtens muss zwischen diesen beiden Kategorien unterschieden werden, denn der Preis einer Ware bildet sich auf dem Markt durch das Nachfrage- und Angebotsverhalten der Konsumenten und der Kapitalisten (als Anbieter). Liegt die Nachfrage über dem Angebot wird der Preis einer Ware steigen, steigt allerdings das Angebot über die Nachfrage, sinken die Marktpreise. Aus diesen Gründen oszilliert der Preis immer um einen (idealtypischen) Mittelwert, der dem (Tausch)-Wert einer Ware entspricht – unabhängig davon, wieviel durchschnittlich gesellschaftlich notwendige Arbeit in der Ware enthalten ist. Der Preis einer Ware entspricht somit nicht dem Wert einer Ware. Halten wir uns nun eine langfristige Dynamik vor Augen, in der die Nachfrage- bzw. die Angebotsseite sofort auf Verhaltensänderungen des Gegenüber reagieren kann und es nicht zu einer Modifikation des Preises kommt, entspricht der Preis einer Ware auch dem (Tausch-)Wert einer Ware. Unter der Annahme, daß alle anderen, Überproduktioskapazitäten beeinflussende Faktoren unberücksichtigt blieben, kann theoretisch durch eine rasche Reaktion der Marktteilnehmer eine Überproduktionskrise vermieden werden.
Zu Deiner Anmerkung zum Thema Mehrwert hast Du Recht, wenn Du schreibst, dass sich der Kapitalist wertmäßig das ganze Produkt aneignet, in dem der Mehrwert enthalten ist. Es handelt sich um eine Simplifizierung, wenn zum Ausdruck gebracht wird, daß sich der Kapitalist den von den Arbeitern produzierten Mehrwert unentgeltlich aneignet.
Abschließend gebe ich zu bedenken, daß es eine (mich möglicherweise überfordernde) Aufgabe gewesen ist, kapitalistische Wirtschaftskrisen mit wenigen Sätzen marxistisch zu begründen. Insbesondere dann, wenn Adressaten eines Textes u.U. über keine Grundkenntnisse in ML verfügen. Wir kommen manchmal nicht ohne Vereinfachungen aus, wenn wir nicht Gefahr laufen wollen, Leser-/Leserinnen zu irritieren oder abzuschrecken.
MkG Norbert