Berliner Demobeobachtung am 26. November 2010
Am 26. November 2010 wird in Berlin unter dem Motto “Sparpaket Stoppen!“ eine Kundgebung anlässlich der letzten Abstimmung des „Sparpakets“ stattfinden. Zur gleichen Zeit protestieren SchülerInnen mit einem öffentlichen „Schulstreik“ gegen Bildungsabbau. Die Berliner Gruppe zur Demonstrationsbeobachtung des Komitees für Grundrechte und Demokratie wird mit etwa 10 Personen beide Proteste begleiten.
Die ursprünglich in Sichtweite des Bundestages angemeldete Veranstaltung zum Sparpaket entlang des „befriedeten Bezirks“ rundum den Bundestag wurde erst lange nach dem Anmeldetermin von den Sicherheitsbehörden aufgrund der allgemeinen „Sicherheitslage“ am vorgesehenen Veranstaltungsort untersagt und auf den Platz des 18. März beschränkt. Der Protest gegen die zeitgleich stattfindende Entscheidung im Bundestag kann somit nur weit ab vom Geschehen stattfinden.
Der Hintergrund für die Beobachtung ist diese und weitere zunehmende Einschränkungen des Versammlungsrechts durch staatliche Institutionen:
Nicht nur wird mehr und mehr versucht mittels Gesetzen die Versammlungsfreiheit einzuschränken, wie der missglückte Versuch des bayerischen Versammlungsgesetzes 2008 verdeutlichte, auch in der politischen Praxis wird durch gewalttätige Polizeieinsätze sowie „Dämonisierung“ der DemonstrantInnen das Grundrecht auf Protest eingeschränkt.
Die Kampagne der Berliner Polizeibehörden gegen die Kennzeichnungspflicht, die Gleichsetzung von „rechtsextremer“ und „linksextremer“ Gewalt durch die Bundesregierung sowie die durch Polizeigewerkschaften eingeforderte Verschärfung des Straftatbestandes der Widerstandshandlung verstärken die staatlich gewollte Atmosphäre der Einschüchterung.
Polizeiliche Gewalt wird so geleugnet und linke DemonstrantInnen pauschal unter Generalverdacht gestellt. Überwachung und Durchsuchung gehören mittlerweile im Vorfeld von Demonstrationen zur Regel.
Darüber hinaus wird Demonstrationen oder Formen des zivilen Ungehorsams – wie bei den Kundgebungen zu Stuttgart 21 oder bei den Anti-AKW Protesten – zum Teil gänzlich die Legitimität abgesprochen, weil sie Kritik an parlamentarisch gefällten Entscheidungen üben.
Der Umgang mit AnmelderInnen wird ebenfalls immer repressiver. Genehmigungen werden bis zuletzt hinausgezögert, wie das aktuelle Berliner Beispiel zeigt.
Zudem werden die Demonstrationen übermäßig mit Auflagen belegt. Meist erst Monate bis Jahre nach der Kundgebung können Gerichte die Rechtswidrigkeit einzelner Maßnahmen feststellen.
Vielerlei Gründe sprechen also für eine Beobachtung der Demonstrationen am 26. November, denn eine Politik der Einschüchterung und Überwachung, die strukturell gewaltförmig auf Proteste reagiert, schadet der Demokratie.
Unsere Beobachtungen des Polizeieinsatzes und des Verlaufs der Demonstration werden wir in einer Pressemitteilung und gegebenenfalls in einem Bericht veröffentlichen.
gez. Jan Wörlein, Telefon: 0176 – 62 13 53 12
(für die Berliner Demobeobachtungsgruppe;
Email: Demobeobachtung-Berlin@grundrechtekomitee.de )