Grundsätzliches zur Kommunistischen Initiative in Deutschland
Liebe Teilnehmer unserer kritischen und vorwärts gewandten Konferenz! Liebe Freunde und Gäste! Liebe Genossinnen und Genossen!
1. Der Ruf nach mehr Einigkeit der fortschrittlichen Kräfte in der BRD ist nicht neu. Illusionen und politische, ideologische und begriffliche Verwirrung führen zur Forderung nach mehr Einigkeit der „Linken“.
Dabei fehlt die klassenmäßige Sicht auf die Struktur der Gesellschaft und die Erkenntnis, dass die Gesellschaft durch ihre Klassenstruktur von zwei Hauptbewegungen geprägt ist, der fortschrittlichen und derjenigen, die sich diesem Fortschritt entgegen stellt.
Von beiden kann nur die zielklarere, besser geplante und besser organisierte Bewegung sich behaupten und durchsetzen. Die herrschende Klasse besitzt die Macht und deren Apparate. Sie erhält ihre Macht unmittelbar durch den Einsatz von Justiz, Polizei, Armee und mittelbar durch Medien und Bildungswesen. Der Staat ist der gemeinsame Machtapparat der herrschenden Klasse, trotz deren Differenziertheit.
Die herrschende Klasse besitzt die Macht und ist sich einig im gemeinsamen Willen, ihre Macht, das heißt, ihren Besitz an Produktionsmitteln zu erhalten. Dieser Wille wird durch die bestehenden Machtmittel sofort wirksam und muss nicht strategisch formuliert werden. Jeder, der an der Macht kratzt, ist automatisch ein Feind der Macht.
Die beherrschten Klassen müssen zuerst ihren Feind erkennen und erkennen, wo die Frontlinie verläuft. Und sie müssen sich organisieren. Da geht nichts automatisch. Die breite Mehrheit des Volkes hat also eine unvergleichlich viel größere und schwierigere Aufgabe damit vor sich, gemeinsame Ziele zu verfolgen.
Zu dieser Einheit muss geführt werden durch die bewusstesten Kräfte der Gesellschaft, durch die Kommunisten. Nun müssen zuerst die Kommunisten selbst zur Einheit finden. Um diese Einheit herzustellen, muss man zunächst anerkennen, dass sie bereits einmal bestanden hat und untersuchen, wodurch sie zerstört wurde. Man erkennt, dass diese Zerstörung mit Bestrebungen einherging, Einigkeit mit dem Gegner herzustellen.
Arbeiteraristokratie entstand, Illusionen über Auflösung der Klassengegensätze wurden propagiert und theoretisch konstruiert. Wir nennen dies den alten oder klassischen Revisionismus. Diese Inkonsequenz führte zu zwei Weltkriegen und hundert Millionen Opfern.
Zur selben Zeit gab es eine konsequente Weiterführung des kollektiven Willens der breiten Mehrheit des Volkes in der Sowjetunion. Diese Konsequenz führte zum Sieg gegen den Hitlerfaschismus, zur Entstehung des Sozialismus in halb Europa und zu fast fünfzig Jahren Frieden in Europa, der in NATO-Aggressionen und dem Bombenhagel auf Jugoslawien unterging.
Allerdings gab es in der Sowjetunion seit den fünfziger Jahren neue Bestrebungen, die Klassengegensätze zu vertuschen, die äußerst fortschrittliche Bilanz, die Konsequenz des Sowjetvolkes zu verleugnen und sich wieder dem Imperialismus politisch-ideologisch anzunähern, die revolutionäre Entwicklung in Frage zu stellen. Diese theoretische Ausrichtung nennen wir den modernen Revisionismus, welcher letztlich in die vollzogene Konterrevolution mündete.
Aus diesem theoretischen Sumpf wuchsen immer neue Formationen, die die Einheit und gemeinsame Organisation immer aufs neue verhinderten, verschiedene linke parlamentaristisch-reformistische Gruppierungen, die den Klassenkampf ausdrücklich ablehnen, die Machtfrage nicht stellen, also aufs neue die Einheit mit dem Gegner suchen. Jeder erkennt an diesem Punkt: Der Sumpf des Revisionismus, auf dem dies wächst, verhindert die Einheit, verhindert die gemeinsame Organisation der beherrschten Klassen. Dieser Sumpf muss ausgetrocknet werden. Dazu muss man ihn aber zuerst verlassen. Eine weitere Organisation kann das aber nicht leisten. Dazu ist die Zersplitterung der Kräfte zu weit fortgeschritten. Das heißt, die Kräfte in einer Nichtorganisation zu bündeln, die eine Vorform oder Urform einer späteren gemeinsamen Organisation ist. Das bedeutet eine Urform der späteren gemeinsamen revolutionären, kommunistischen, das heißt marxistisch-leninistischen Partei. Nur diese gemeinsame Kraft kann den Revisionismus überwinden und schließlich trocken legen.
Die Vorstufe dazu ist die Kommunistische Initiative.
Die Kommunistische Initiative ist überall da, wo jede Organisation, in der Kommunisten organisiert sind, sich momentan Grenzen setzt und sie ist da, wo es keine Organisation gibt.
Wer die Lage erkannt hat, ist nach Brechts Worten nicht aufzuhalten. Was bedeutet das? Wer eine revolutionäre kommunistische Partei vermisst, weil die Lage erkannt ist, findet zur Gemeinsamkeit. Er findet also zur KI und zwar unausweichlich.
2. Die KI hat bundesweit Mitglieder. Sie hat bereits mehrere lokale Gruppen gebildet, sowie eine Regionalgruppe. Sie führt politische Diskussionen in Kulturzentren durch, veröffentlicht regelmäßig in großer Dichte weltpolitische und lokale Analysen, verbreitet antiimperialistische Aufrufe und Erklärungen. Sie macht gemeinsame Bewegung durch ihre Medien publik und vernetzt diese.
Die Kommunistische Initiative ist bereits unübersehbar geworden. Andere Organisationen informieren uns, wenden sich an uns mit Bitte um Unterstützung, geben uns Raum für Informationen und Veranstaltungen oder aber geben uns die Ehre, sich mit uns als unvereinbar zu erklären.
Mitglied der KI zu sein – das ist im Moment aber nur; Mitglied einer Vorstufe zu sein, der Vorform oder Urform einer Organisation der Zukunft, die eben, und das ist des Rätsels Lösung, gemeinsam organisiert wird.
Das heißt, diese selbst aufzubauen, selbst mitzuprägen und mitzubestimmen.
Es ist inzwischen kein Geheimnis mehr, dass die KI Mitglieder in den bestehenden linken Organisationen hat sowie unorganisierte Mitglieder. Es ist zweitens kein Geheimnis mehr, dass die KI ihr erstes Stadium, das Stadium des ersten Impulses, bereits verlässt – und sich embryonale Strukturen bilden.
Dieser praktische Erfolg bestätigt das schlüssige Konzept der KI, keinen Sonderweg zu gehen. Es ist der Erfolg dessen, der sich an alle wendet, in unserem Fall an alle Kommunisten dieses Landes. Es ist aber genauso klar, dass das momentane Embryonal-Stadium Reifung erfordert, also Gründlichkeit und so lange nicht vorüber gehen kann, wie sein Inhalt nicht gleichermaßen wächst und Raum greift, nämlich die Überwindung des revisionistischen Sumpfes, die Rückkehr zum Marxismus-Leninismus.
Wer jetzt an der KI teilnimmt, erhält den 14-tägigen Newsletter, bestimmt dessen Inhalt mit, macht Vorschläge für die weitere Arbeit, nimmt an den Diskussionen teil; wo, wann und wie die KI gefordert ist.
Bis jetzt und weiterhin ist die KI eine Initiative. Wer an der KI teilnimmt, ergreift selbst Initiative. Nicht so sehr den Zeitpunkt zu bestimmen, wann die Kommunistische Initiative keine Initiative mehr sein wird, ist Aufgabe unserer Mitglieder, sondern die saubere Grundlage zu schaffen als Voraussetzung für die saubere gemeinsame Organisation.
Das Vorläufige Organisationskomitee, das bislang den KI-Impuls verwaltete, wird in kurzer Zeit verschwunden sein, weil sich, wie gesagt, Strukturen abzeichnen. Dieses derzeitige Komitee diskutierte Grundlagen der ersten Aufbauphase, organisationspolitische Fragen, Fragen der Öffentlichkeitsarbeit, kulturpolitische Fragen und Bildungsfragen und unter anderem den Namen des zukünftigen Organs der KI. Bekanntlich gibt es bis jetzt nur eine regelmäßige, aber provisorische Informationsschrift.
Der Titelvorschlag für das Organ der KI, der verabschiedet wurde, ist „EINHEIT“. Er wird dem zukünftigen Leitungsgremium als Vorlage für das Periodikum der KI dienen.
Die erste tiefergehende Diskussion der gesamten KI soll das zukünftige Manifest betreffen, das an die Stelle des bisherigen Aufrufs tritt. Dieses Manifest wird das zentrale Dokument der KI bilden.
Die Kommunistische Initiative hat das Potential, ALLE Kommunisten, bislang mit oder ohne Parteibuch, zusammmenzuschließen. Die KI kann das erreichen, weil sie ÜBER den Parteien steht und dadurch auch den Unorganisierten einschließt. Die KI wirkt dabei nicht nur mechanisch, indem sie sammelt, sondern organisch, da sie die politische Aussage, den politischen Kampf, die Klärung, über alles andere stellt.
Sie bezieht ein, indem sie in die lebendige Diskussion einbezieht und nicht in Mitgliedslisten. Sie gibt und gewährt jede Form der Mitwirkung außer dem schädigenden Einfluss, dem revisionistischen Einfluss. Sie fordert nichts, außer dem Verständnis für die Probleme unserer Zeit. Die KI stellt keine Anforderungen an Parteien und Organisationen, sondern sie bewertet sie anhand des Marxismus-Leninismus. Die KI will nichts sein, sondern sie ist wirkliche Bewegung. Die KI proklamiert nicht die Einheit. Sie beginnt sie.
3. Die KI verfügt über eine weitgehende Planung ihrer Regionalisierung, bei der die Bildung politischer Kräftezentren in Form von Redaktionen im Mittelpunkt steht. Hier wird die Gruppe der bislang Unorganisierten, die zahlenmäßig bedeutend ist, eine wichtige Rolle übernehmen. Selbstverständlich wirken die organisierten KI-Mitglieder weiter an der politischen Arbeit in ihrer Organisation, aber mit Blick auf die gemeinsame Organisation der Kommunisten in diesem Land. Schwerpunkt ist, Arbeitsformen zu finden, die klare Analysen zur Grundlage haben, zu wirksamen Zielstellungen und Losungen führen und in die gemeinsame Arbeit münden.
Ich will ein Beispiel dieser Arbeit nennen, das alle Kampffelder umfasst. Die KI wird neue Wege bei der Bewusstseinsbildung gehen. Es wurde erkannt, dass die marxistisch-leninistische Kulturtheorie im Zuge der reaktionären, konterrevolutionären und revisionistischen Einflüsse entscheidend vernachlässigt wurde. Es gab zu Ulbrichts Zeiten Versuche, dem entgegenzuwirken, die bürgerliche Kultur in der revolutionären aufzulösen, die kleinbürgerliche Kultur durch revolutionäre und gesellschaftliche Ethik, also auch Ästhetik, zu verdrängen, etwa über den „Bitterfelder Weg“, durch bewusste Erziehung zur revolutionären Kultur. Dabei entstanden auch Meisterwerke, die heute aus guten Gründen als Klassiker gelten.
Aber nur wenig sinnhafte Bücher und Filme gibt es, die die DDR revolutionär reflektierten. Statt dessen beherrschten bürgerliche Bejammerung und Skepsis bis hin zu kleinbürgerlich-idiotischen Westkopien wie dem „Kessel Buntes“ die volkseigenen Medien. Auch dies ist konterrevolutionär.
Eine sensitive kulturelle Widerspiegelung des Sozialismus und des revolutionären Kampfes muss den objektiv begonnenen Aufbruch in das historische Neuland begleiten – denn wirkliche gesellschaftliche Dialektik, diese stets wirksame Bewegung, kann den Weg voran befestigen – sogar unumkehrbach machen.
Diese Sensibilisierung fand nicht statt, sondern wurde verhindert. Anderenfalls mussten die revolutionären oder – auf die DDR bezogen – planwirtschaftlichen Erfolge ihre Entsprechung finden in der Erneuerung der revolutionären Triebkräfte. Ich glaube, die griechischen Genossen haben diesen Punkt ebenfalls angesprochen. In Denken und Forschung wurde der mechanische Materialismus NICHT durch den dialektischen ersetzt. Die kulturhistorische Dialektik muss die bürgerliche Kultur beherrschen und nicht umgekehrt. Durch den modernen Revisionismus wurde das verhindert. Im Maßstab des gesamten Warschauer Vertragssystem gedacht, hätten die realen gesellschaftlichen Erfolge als Sein aufs Bewusstsein so zurückwirken müssen, dass die Bourgeoisie heute weltweit in den letzten Zuckungen läge. Es gäbe heute weder Krieg noch Seuchen.
Denn kein Volk, dessen Sinne geschärft sind, vernachlässigt seine Spannkraft, um einer Schrebergartenkultur willen. Kein Volk, das wach und klar seine Geschichte und realen Möglichkeiten überschaut, hätte Kohl und seinesgleichen ins Land gelassen. Das aber ist das Neue beim Sozialismus: Er verlangt die bewusste Einflussnahme des Menschen als gesellschaftliches Wesen, er kommt nicht mehr über die Menschen, sondern er verlangt deren bewusste Teilnahme, ein neues Denken.
Wir sehen dabei auch: Weil die DDR und der Sozialismus real waren, haben sie Wirkungen im Bewusstsein hinterlassen, haben sie ein- für allemal gesellschaftliche Ansprüche hinterlassen und sogar ansatzweise schon das Neue Denken. Obwohl sie nicht mehr bestehen, sorgen die DDR und der Sozialismus noch heute für Grenzen des Kapitals. Wir sehen auch, dass das Kapital versucht, diese Grenzen zu sprengen. Aber zugleich finden wir einen Boden vor, der durch DDR und Sozialismus bereits bebaut wurde und den wir wieder bebauen können. Wir können uns dazu entschließen und den Kampf aufnehmen. Wir können dieses Werk beginnen. Oder wir schieben es vor uns her.
Um den Rahmen zu verdeutlichen, in dem dies geschieht, möchte ich aus einer bürgerlichen Zeitung zitieren. Die Süddeutsche schreibt am 3. September: „Mittlerweile ist das Vertrauen in die Gemeinsamkeit der Interessen aller wichtigen Kräfte erschöpft. Die Unterschiede in Einkommen und Vermögen wachsen; dass den Unternehmensführungen noch viel am ‘einträchtigen Zusammenwirken’ liege … das glaubt nur noch eine Minderheit der Deutschen. Stark geschwunden sind die Aufstiegschancen der Arbeiterschaft, das Bildungssystem ist zu undurchlässig. Die Bevölkerung erlebt sich als immer stärker segmentiert, damit aber zerbröckeln die Grundlagen der Volksparteien.“
Liebe Genossinnen und Genossen!
Um wirklich voranzukommen, bedarf es keiner These, sondern der revolutionären Theorie. Um wirklich voranzukommen, bedarf es nicht zuerst der besseren Taktik, sondern zuerst eines klaren Ziels. Um wirklich voranzukommen, bedarf es nicht allein des Mutes und der Kraft, Resignation und scholastische Wortklauberei zurückzulassen. Um wirklich voranzukommen, bedarf es revolutionärer Entschlossenheit, die Gesellschaft zu verändern!
Thomas Waldeck