Frank Flegel (Lehrer und Redakteur, Hannover)

Warum ich die Bildung einer Kommunistischen Initiative in Deutschland für notwendig und aktuell auch für möglich halte

1. Zur Situation der Kommunistischen Bewegung im heutigen Deutschland

Es ist ja nichts Neues, wenn ich sage, dass die kommunistische Bewegung in Deutschland in einem beklagenswerten Zustand ist: organisatorisch gespalten und ideologisch zersplittert, unklar, stark unter revisionistischem Einfluss stehend und deshalb schwankend und schwach. Noch immer, inzwischen 19 Jahre nach der Konterrevolution, herrscht in der kommunistischen Bewegung (nicht nur) in Deutschland Niedergedrücktheit, Verwirrung und Zersplitterung vor. Die revisionistische Aufweichung ist noch längst nicht überwunden, ganz im Gegenteil: Die weitaus größte Mehrheit der kapitalismuskritischen Kräfte bewegt sich im Fahrwasser von Reformismus, Revisionismus und kleinbürgerlich/idealistischen Vorstellungen. Das ist natürlich kein Wunder, wird doch der wissenschaftliche Sozialismus nicht nur von der Bourgeoisie, sondern auch von den revisionistischen Kräften der politischen Linken systematisch bekämpft und diskreditiert.

Wie steht es um die beiden größten Parteien der Linken?

Die frühere SED ist als PDS und inzwischen Partei „Die Linke“ bei rein sozialdemokratischen Positionen angekommen, ihre praktische Politik muss man in einigen Belangen sogar neoliberal nennen. Es gibt in der „Linkspartei“ sicherlich noch immer Genossen/innen, die sich dem Marxismus-Leninismus nahe fühlen und sich als Kommunisten bezeichnen, allerdings haben sie keinerlei Einfluss und dienen in ihrer organisierten Form, der Kommunistischen Plattform, als linkes Feigenblatt einer objektiv antikommunistischen und konterrevolutionären Partei (um nicht falsch verstanden zu werden, sei hier angemerkt, dass diese Einschätzung der Partei „Die Linke“ keinesfalls ausschließt, mit ihr gemeinsam gegen den Sozialkahlschlag, die Neonazis, die Auslandseinsätze der Bundeswehr usw. zu kämpfen).

Die DKP hat 2006 ein revisionistisches Parteiprogramm angenommen, ihre theoretischen Arbeiten bewegen sich im gleichen Fahrwasser, dazu nur zwei Beispiele: Abkehr von der Leninschen Imperialismustheorie (stattdessen die Rede vom kollektiven Imperialismus), Ersetzen der im Sozialismus anzustrebenden Planwirtschaft und der Klassenherrschaft des Proletariats durch kleinbürgerliche Sozialismusvorstellungen (gemischte Eigentumsformen, politischer Pluralismus usw.). Die leninistischen Kräfte in der DKP sind in den letzten Jahren schwächer geworden und verfügen derzeit über einen so geringen Einfluss wie noch nie in der Parteigeschichte. Praktisch profiliert sich die DKP durch eine prinzipienlose Anbiederung an die Linkspartei. Gleichzeitig hält sie sich für die kommunistische Partei in Deutschland, und ihre Führung lehnt ein wie auch immer geartetes Zusammengehen mit der KPD und/oder der KPD(B) grundsätzlich ab.

Gleichzeitig entwickelt sich fast flächendeckend ein immer größeres Widerstandspotential vor allem bei jungen Leuten, in der Gewerkschaftsjugend, bei Studenten/innen und Schülern/innen. Ebenso wachsen in den Kernbereichen des Proletariats die Widersprüche und auch dort nehmen die Widerstandsaktionen zu. Was aber all diesen – meist spontanen – Aktionen fehlt, ist die Kontinuität, die Klarheit, die Organisiertheit, sprich: Die einheitliche und klare kommunistische Partei, denn nur eine solche kann Richtung in die Gärung bringen. Eine solche Partei, eine Partei also, die sich auf den Marxismus-Leninismus stützt, die den Kampf gegen den Revisionismus genauso wie den Kampf gegen die Bourgeoisie als Klassenkampf begreift, die sich fern hält von opportunistischen Schwenks, weil diese fast zwangsläufig mit dem Verbiegen der Theorie und schließlich mit eindeutigen Lügen einhergehen, eine solche Partei sind „Linkspartei“ und DKP nicht und werden es auch nicht mehr werden.

Beide Parteien reden viel von Einigkeit, Bündelung der Kräfte usw., sind aber objektiv ein Hindernis für die eine ganz spezielle und absolut notwendige Einheit: die kommunistische, also marxistisch-leninistischen Einheit. Beide Parteien diskreditieren – selbstverständlich in sehr unterschiedlicher Art und Weise –

den Marxismus-Leninismus und führen so zu Verwirrung, Spaltung, Illusionsmacherei und schließlich Frustration und Demobilisierung der Widerstandskräfte.

2. Anforderungen an die Kommunistische Partei

Sie muss eine Organisation auf der Grundlage des Marxismus-Leninismus sein. Sie muss als klares Ziel die Diktatur des Proletariats und die zentrale Planwirtschaft haben, also den Aufbau des Sozialismus. Sie muss sich über den Klassenkampf mit allen seinen Facetten im Klaren sein. Und sie darf weder Opportunismus noch Revisionismus in ihren Reihen zulassen. Bei aller Klarheit über das Ziel und die grundlegende Strategie muss sie in der Lage sein, eine flexible tagespolitische Taktik auszuarbeiten und diese gleichzeitig und stetig mit ihrer Strategie und ihren grundsätzlichen Zielen zu vermitteln.

Die Klarheit muss das höchste Gut sein, denn eine Einheit der Kommunisten wird nur möglich, wenn Programm und Praxis nachvollziehbar, klar und wissenschaftlich begründet sind, wenn die Partei keine Diskussion und/oder Auseinandersetzung scheut und alle Prozesse offen und transparent ablaufen. Ich weise hier so deutlich auf den Zusammenhang von theoretischer Klarheit und Transparenz hin, weil gerade Opportunismus und der Revisionismus die wissenschaftliche Klarheit fürchten – und fürchten müssen – weil deren „Theorien“ einer offenen Überprüfung durch den Marxismus-Leninismus nicht standhalten würden. Deshalb neigen Opportunismus und Revisionismus stets zum Dogmatismus, also zum Ausgrenzen, Stigmatisieren, Mundtot-Machen usw. ihrer marxistisch-leninistischen Kritiker, zur Dekretierung der Parteilinie und zur Entmündigung der eigenen Mitgliedschaft.

3. Die Möglichkeiten der Kommunistischen Initiative hier und heute

– Die DKP-Führung lehnt Einheitsprozesse mit den anderen kommunistischen Parteien und Gruppen ab. Hier herrscht der Alleinvertretungsanspruch. Die Politik der Führung ist: Man könne ja in die DKP eintreten. Die Führung der DKP setzt den Revisionismus in Theorie und Praxis der Partei durch. Trotzdem gibt es viele Genossinnen und Genossen in der DKP, die weiterhin am Marxismus-Leninismus festhalten und für die deshalb die Kommunistische Initiative objektiv eine Chance sein kann.

– Die KPD-Führung will einen Vertreter für die Belange der Kommunistischen Initiative benennen und unterstützt das Anliegen der Kommunistischen Initiative.

– Die KPD(B)-Führung ist am Prozess der Einheit im Hinblick auf die Kommunistische Initiative sehr interessiert.

– KPD und KPD(B) führen Gespräche über eine mögliche Vereinigung beider Parteien. Dieser Prozess ist sehr interessant und würde, so er gelingt, ein gutes Signal aussenden: Die marxistisch-leninistische Einheit ist möglich!

– Zeitschriften und Zusammenschlüsse wie beispielsweise der RotFuchs oder die Kommunistische Arbeiterzeitung, wie Rote Tische oder örtliche Koordinationsrunden arbeiten an der Zusammenführung von Kommunisten. Hier kann eine Kooperation sehr fruchtbringend sein.

– Die Redaktion der Zeitschrift „offen-siv“, unterstützt diesen auf Klarheit basierenden Einigungsprozess. Die Grundlagen dafür versucht sie in ihrer publizistischen Tätigkeit und in ihrer Bildungsarbeit schon seit Jahren zu legen.

– Es gibt in Deutschland wahrscheinlich mehr nicht organisierte Kommunisten/innen als Parteimitglieder. Diese mit einzubinden, ist unverzichtbar.

Die Möglichkeiten zur Schaffung der marxistisch-leninistischen Einheit scheinen mir aktuell sehr gut zu sein, denn das Spektrum, das sich – salopp formuliert – links von der revisionistisch aufgeweichten DKP bewegt, signalisiert große Bereitschaft für einen Vereinigungsprozess, gleichzeitig zeigt sich an der Basis der DKP ein bemerkenswertes Interesse.

4. Die Herangehensweise des Vorläufigen Organisationskomitees der Kommunistischen Initiative

Mir scheint die Herangehensweise sehr vernünftig zu sein:

Erstens will die Kommunistische Initiative zur Einheit der Marxisten-Leninisten beitragen, will also keine prinzipienlose Einheit aller, die sich Antikapitalisten nennen.

Zweitens stellt die Kommunistische Initiative kein ausschließendes Mitgliedschaftsstatut auf. Es ist also möglich, sich dem Vereinigungsprozess anzuschließen, ohne gleich seine politische Heimat aufgeben zu müssen.

Drittens können der Kommunistischen Initiative nicht Organisationen, sondern nur Einzelpersonen beitreten, so dass auch Unorganisierte mit auf den Weg genommen werden können. Und deshalb wird die Kommunistische Initiative breiter sein als zum Beispiel der mögliche Vereinigungsprozess von KPD und KPD(B) und steht nicht in Konkurrenz dazu.

Die Kommunistische Initiative versteht sich als ein gemeinsames Dach – mit einer klaren marxistisch-leninistischen Orientierung und deshalb auch mit eindeutigen Positionen und eindeutigen Abgrenzungen. Und sie versteht sich als ein Prozess, nicht als ein fertiges Produkt. Dies ist für mich ein ganz wesentlicher, sehr positiver Faktor.

5. Zukunftsperspektive bzw. Erfolgsaussichten

Die Kommunistische Initiative hat nach meiner Auffassung ausschließlich dann eine Lebensberechtigung, wenn es tatsächlich gelingt, über gemeinsame theoretische und praktische Arbeit Einheitsprozesse der Marxisten-Leninisten voranzubringen. Schließlich ist das Ziel die Formierung einer einheitlichen kommunistischen (und deshalb nicht-revisionistischen) Partei. Ob die Schritte dorthin gelingen, wird die Zukunft zeigen.

Und die Zukunft sind wir. Ein Gelingen hängt nämlich in hohem Maße von den Genossinnen und Genossen ab, die sich als Marxisten-Leninisten fühlen: Sie können die eröffnete Möglichkeit nutzen, den Prozess mitgestalten – und dann ist es wahrscheinlich, dass das Vorhaben gelingt. Oder sie können die Möglichkeit ungenutzt lassen, und dann wird die Kommunistische Initiative wieder verschwinden, denn eine weitere Splittergruppe braucht niemand.

Ich rufe alle Genossinnen und Genossen, die sich am wissenschaftlichen Sozialismus orientieren, dazu auf, die Möglichkeit zu nutzen, sich auf den Prozess der Einheit einzulassen und vor allem ihn mitzugestalten, denn ich glaube, dass wir aktuell eine historische Chance haben. Wir sollten sie nicht vertun.

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